Gott hat hohe Nebenkosten: Wer wirklich für die Kirchen zahlt
Knecht im Dezember 2011 über das Angebot der Kirche nachdenkt, gehen die Eltern auf die Kommunalpolitik zu. Sie sprechen die Parteien an und laden zu einem Informationsnachmittag in den Kindergarten ein. Dort wollen sie den Volksvertretern unten aus Königswinter berichten, was oben in Rauschendorf geschieht. Sie wollen außerdem herausfinden, wie sich die Finanzierung des Kindergartens durch die Kommune genau darstellt. Denn eigentlich muss die katholische Kirche in Nordrhein-Westfalen laut Landesgesetz zwölf Prozent der Kosten eines Kindergartens selbst tragen. Wieso ist das in Königswinter nicht so? Bislang hat diese Fragen in ihrer Stadt noch niemand öffentlich gestellt und noch ist den Eltern nicht klar, welche Konsequenzen diese Erkundigungen nach sich ziehen werden.
Königswinter ist eine CDU-Stadt und Björn Seelbach der SPD-Vorsitzende. Er ist Anfang vierzig, hat in Berlin, Belgien und Großbritannien Jura studiert, in der Schweiz und den USA gearbeitet. Jetzt ist er Anwalt in Bonn. Als Björn Seelbach die Eltern zum ersten Mal trifft, hat er seinen Parteiposten seit genau vier Monaten. Doch er ist nur neu im Amt, nicht neu in der Stadtpolitik und deshalb kann er erklären, warum auf dem Kindergarten »Katholische Kirche« steht, aber einhundert Prozent Kommune drin ist.
»Die Kirche hat irgendwann gesagt: ›Wir können den Kindergarten, also unsere zwölf Prozent Trägeranteil, aus den schrumpfenden Kirchensteuermitteln nicht mehr finanzieren. Wir würden den jetzt zumachen, wenn ihr nicht noch eine Schippe drauflegt.‹« Er lächelt, bevor er fortfährt. Die Kirchenvertreter seien damals an die Stadt herangetreten und hätten gefragt, ob sie nicht den Kirchenanteil für sechs sonst zu schließende Gruppen noch mit übernehmen könne. Weil die Kindergärten gut liefen und es sehr aufwendig gewesen wäre, neue Träger zu finden oder eigene kommunale Einrichtungen daraus zu machen und zu verwalten, habe man sich entschieden, den Anteil, den die Kirche eigentlich selbst zahlen müsse, aufzufangen. »Das war der Wille der politischen Mehrheit, und man hat gehofft, dass das schon gut gehen würde. So, nun ist es nicht gut gegangen«, fasst Björn Seelbach zusammen.
Lange war es so, dass die Kirchen in ihren Kindergärten einen Großteil der Kosten übernahmen. In Nordrhein-Westfalen etwa lag der Eigenanteil der Kirche bis 1990 noch bei sechsunddreißig Prozent. Dann ging es stetig bergab. Im Jahr 2000 waren es nur noch zwanzig Prozent, die die beiden großen Kirchen aus der Kirchensteuer zu ihren Einrichtungen beitrugen. 2008 waren es schließlich nur noch zwölf Prozent. Aus dem Familienministerium Nordrhein-Westfalen kommt als Erklärung für diese Entwicklung per Mail ein Auszug aus der Begründung zum Kinderbildungsgesetz von 2008: Demnach ist der »Finanzierungsanteil der Kirchen auf zwölf Prozent abgesenkt worden, um den besonderen strukturellen Finanzierungsproblemen dieser Trägergruppe Rechnung tragen zu können (z. B. deutlicher Rückgang des Kirchensteueraufkommens).« Die achtzig Millionen Euro Mehrkosten, die allein die letzte Absenkung von zwanzig auf zwölf Prozent im Jahr 2008 ausmachte, teilten Land und Kommunen unter sich auf.
Diese Entwicklung gibt es auch in anderen Bundesländern. In Hamburg etwa zahlten die Kirchen erst zwanzig, dann zehn Prozent und seit 2010 trägt die Stadt sämtliche Kosten. Kein einziger christlicher Kindergarten wird dort mehr von der Kirche finanziert.
In Nordrhein-Westfalen blieben 2008 immerhin noch die zwölf Prozent Eigenanteil für die Kirchen übrig. Damit liegen sie über dem der freigemeinnützigen Träger von Kindertageseinrichtungen und dem der Elterninitiativen und tragen von allen nicht kommunalen Trägern noch am meisten zum Budget bei. Das sollten sie zumindest, denn angesichts der Finanzierung in Rauschendorf stellt sich die Frage, ob sie ihre zwölf Prozent denn überhaupt noch zahlen.
In Königswinter wird nicht nur die Einrichtung in Rauschendorf, hier werden insgesamt sechs katholische Kindergartengruppen komplett aus öffentlichen Mitteln bezahlt. »Sonderfinanzierung« nennt das die Stadtverwaltung. Das klingt nach »Sonderfall«, aber so ist es nicht.
Das Erzbistum Köln sagt dazu: Zwar seien nicht alle Kindergärten in ihrer Diözese zu einhundert Prozent öffentlich finanziert, aber dass die Kommune die üblichen achtundachtzig Prozent aufstocke, sei inzwischen ein »gängiges Modell«.
Bundesweit? »Ja«, bestätigt Ursula
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