Gott hat hohe Nebenkosten: Wer wirklich für die Kirchen zahlt
Arbeitsschutz zuständige Landesbehörde muss zustimmen. Das tat sie hier nicht. Sie erklärte, dass der Schutz der Familie schwerer wiege als die katholische Glaubenslehre, und ließ die Kündigung nicht zu. Die Kirche reagierte prompt und klagte gegen die Behörde und somit gegen den Freistaat Bayern, um die Kündigung doch noch durchzusetzen.
Zunächst sah es für die Erzieherin vor Gericht gut aus: Die Richter wiesen die Klage der Kirche mit der Begründung ab, dass der Schutz der Elternzeit in der Tat höher zu bewerten sei als das Interesse der Kirche, das Arbeitsverhältnis schon während der Elternzeit zu beenden. Dann folgte eine entscheidende Einschränkung: Wenn die Elternzeit vorbei sei, dürfe die Kirche die Mitarbeiterin allerdings entlassen. Denn als Religionsgemeinschaft habe sie das Recht, Mitarbeiter zu entlassen, sofern diese gegen die entsprechende Glaubens- und Sittenlehre verstoßen. Genau das tat die Kirche: Als die Elternzeit im August 2012 endete, erhielt die Kindergärtnerin die Kündigung. Prompt zog sie wieder vor Gericht. Am 8. Oktober 2012 findet sich auf der Internetseite des Lesben- und Schwulenverbandes in Deutschland folgende Notiz: »Katholische Kirche macht Rückzieher – lesbische Erzieherin erhält hohe Abfindung.« Und weiter: »Das Arbeitsgericht hatte die Parteien ›auf die Vielzahl der Presseanfragen‹ hingewiesen und vorgeschlagen, dass die Erzieherin die Auflösung ihres Arbeitsverhältnisses zum Ende der Elternzeit akzeptieren und ihr die katholische Kirche dafür im Gegenzug die übliche Regelabfindung zahlen soll. Diese ist sehr hoch, weil die Mitarbeiterin vierzehn Jahre bei der katholischen Kirche beschäftigt war. Das haben die Parteien akzeptiert. (…) Der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) begleitet zurzeit vier lesbische Lebenspartnerinnen als Beistand, die als Kindergärtnerinnen bei der katholischen Kirche beschäftigt sind und entlassen werden sollen, weil sie ein Kind geboren haben und deshalb eine gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft eingegangen sind. Die katholische Kirche würde die Frauen weiter beschäftigen, wenn sie sich bereit erklären würden, sich von ihrer Frau scheiden zu lassen und ihr Kind als Alleinerziehende großzuziehen. (…) Allen Betroffenen raten wir dringend, sich an den LSVD zu wenden, wenn sie Probleme mit ihrem katholischen Arbeitgeber haben.«
In Fällen wie diesen argumentiert die Kirche, dass die Mitarbeiter kirchlicher Einrichtungen das Wertesystem und die Moral der Kirche vermitteln und vorleben sollen, anstatt mit ihrem Verhalten der christlichen Glaubenslehre zu widersprechen und so die Glaubwürdigkeit ihres Arbeitgebers infrage zu stellen. Das gilt besonders für Angestellte, die in ihrer Arbeit mit Kindern zu tun haben, also vor allem in Kindergärten und Schulen. Ob der Küchenhilfe im kirchlichen Altenheim oder dem Waldarbeiter der Pfarrei aus diesen Gründen gekündigt wird, ist Abwägungssache, liegt allein bei der Kirche und nicht in der Hand staatlicher Gerichte. Beide christlichen Kirchen sind sich einig, dass ein Gericht eines religiös neutralen Staates nicht einschätzen kann, inwieweit Aufgaben von Mitarbeitern in kirchlichen Einrichtungen den sogenannten Verkündigungsauftrag betreffen.
Ganz grundsätzlich aber gilt: Alle Mitarbeiter – ob Kindergartenleiterin oder Altenpfleger, ob Lehrer, Rettungssanitäter oder Schuldenberater bei der Caritas – tragen in den Augen der Kirche durch ihren Dienst am Nächsten zur Verkündigung bei. Deshalb sollen sie sich, vor allem nach Vorstellung der katholischen Kirche, sowohl im Dienst als auch daheim den christlichen Moralvorstellungen gemäß verhalten.
Das eigentlich Interessante am Fall des Düsseldorfer Chefarztes sei, so Anwalt Norbert H. Müller, dass es dem Gericht gar nicht darum ging, das kirchliche Arbeitsrecht grundsätzlich infrage zu stellen, sondern darum, ob die Kirche ihre eigenen Normen überhaupt konsequent anwende. Der Chefarzt wurde erst entlassen, als er neu heiratete. Die Kirche wusste über Jahre von der neuen Beziehung, dass die beiden schon zusammenlebten, und trotzdem hatte dies für den Arzt keine arbeitsrechtlichen Folgen. »In diesem Fall konnte man also den Eindruck bekommen, dass sich die Kirche Entlassungsmöglichkeiten auf Vorrat hält«, sagt Norbert H. Müller. Das Gericht habe zudem kritisiert, dass dadurch klar werde, dass die Kirche nicht mit allen Mitarbeitern gleich verfahre, dass sie inkonsequent sei. »Es ist ein
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