Gott hat hohe Nebenkosten: Wer wirklich für die Kirchen zahlt
Mathematik unterrichtet, diesen Job nicht bekommen kann, weil er nicht katholisch oder evangelisch ist, das ist überhaupt nicht akzeptabel. Da gilt das Antidiskriminierungsgesetz und ich finde, es wirft ein verheerendes Bild auf Deutschland, dass wir in einem Bereich von Millionen Beschäftigten eine Separierung haben.«
Auf die Frage, wie er sich erkläre, dass das Thema bislang in der Bundespolitik keine entscheidende Rolle gespielt habe, antwortet Carsten Schneider: »Es scheint erstens sowohl in den politischen Parteien als auch in der Gesellschaft die Aufklärung nicht da zu sein und zweitens scheint man sich arrangiert zu haben. Die Kirchen sind natürlich wichtig, ich stelle auch ihre Leistungen nicht infrage, aber es gibt viele Parteien oder fast alle, die darauf gucken, es sich mit denen nicht zu verscherzen.«
In Rauschendorf ist endlich der Tag gekommen, an dem die Parteien im Jugendhilfeausschuss über den Bürgerantrag der Eltern entscheiden sollen. Es ist der 8. März 2012. Im Vorfeld hat Peer Jung versucht, die Mehrheit der Ausschussmitglieder noch einmal ans Telefon zu bekommen. »Die machen den ganzen Tag Lobbyarbeit, warum soll ich da nicht die Leute anrufen und mich für unsere Sache starkmachen?«, fragt Peer Jung. »Ich wollte ihnen noch einmal sagen: Ihr müsst da zustimmen. Einige hatten sich zwar schon geoutet, dass sie hinter uns stehen, aber die größte Unwägbarkeit waren die vier CDU-Mitglieder und auch bei der FDP war man sich nicht einig.«
Am Tag vor der entscheidenden Sitzung, so erzählt es Peer Jung, habe es dann im Ort eine außergewöhnlich hitzige CDU-Fraktionssitzung gegeben. Die Eltern wissen: Josef Griese, der Fraktionsvorsitzende und neue Lebenspartner von Bernadette Knecht, ist kurz da gewesen und hat sich dann entschuldigt. Er sei befangen, habe er gesagt, offensichtlich. »Natürlich ist das ein Problem für die CDU«, sagt Peer Jung im Rückblick. »Ein Fraktionschef, ein Kirchenvorstand, ein Kirchengemeindeverbandsmitglied, das ausgerechnet der Kirche so in den Rücken fällt. Ausgerechnet er. Ich bin mir sicher, einige haben ihn als Verräter in den eigenen Reihen gesehen.« Auch die anderen Parteien habe das natürlich beeinflusst. »Es gab sicher den einen oder anderen aus der Opposition, der ihm keinen Gefallen tun wollte mit einer Abstimmung pro Eltern und gegen die Kirche. Es war für alle schwierig.« Das Ergebnis der kontroversen Fraktionssitzung sei jedenfalls gewesen, dass man davon abgesehen habe, als Fraktion einheitlich abzustimmen. »Das hieß, jeder der vier darf entscheiden, wie er will. Da machten wir uns wieder mehr Hoffnungen«, erzählt Peer Jung.
Am entscheidenden Tag, an dem endlich die Sitzung in Rauschendorf stattfinden soll und die Eltern auf eine dünne Mehrheit in der Abstimmung hoffen, erreicht die Stadtverwaltung in der bereits laufenden Sitzung eine druckfrische Stellungnahme. Sie kommt von der Kirche. Pfarrer Udo Maria Schiffers und der Kirchengemeindeverband bitten darum, ihre Sicht der Dinge darlegen zu dürfen, bevor über eine Kündigung entschieden werde.
Und so gibt die CDU-Fraktion an diesem Tag lediglich bekannt, dass man noch Beratungsbedarf habe. Die Sitzung wird vertagt. Die Eltern gehen nach Hause.
Unter der Stellungnahme der Kirche steht nicht nur der Name von Pfarrer Udo Maria Schiffers. Dort hat auch Ulrike Keller unterschrieben. Sie ist ebenfalls Mitglied im Königswinterer Kirchengemeindeverband und sie ist nebenamtliche Vernehmungsrichterin am Offizialat in Köln, dem kirchlichen Ehegericht.
10.
»Wir fühlen uns Höherem verpflichtet«
Eine Erklärung
Ulrike Keller sitzt im Herbst 2012 im Schatten einer Königswinterer Kirche in einem Café und hat gerade ihre Lederjacke ausgezogen. Es ist warm genug. Sie trägt eine rosafarbene Bluse, eine helle Perlenkette. Heute ist sie nicht mit dem Motorrad da. Sie war mit Pfarrer Udo Maria Schiffers und einigen anderen begeisterten Fahrern schon in halb Europa unterwegs. Ulrike Keller ist Juristin, Anwältin und wie Thomas Schulte-Beckhausen einer der zehn gewählten Kirchenvorstände im Gemeindeverband von Königswinter. »Ich bin von Hause aus ein gläubiger Mensch«, sagt sie. »Mir ist Kirche sehr, sehr wichtig und deshalb habe ich entschieden, mich für sie einzusetzen.« Seit ihrer Firmung im Alter von vierzehn Jahren ist Ulrike Keller in den Gremien der Kirche aktiv. Sie hat damit begonnen, in der heiligen Messe Fürbitten und die Lesung vorzutragen. Dann war sie
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