Gott hat hohe Nebenkosten: Wer wirklich für die Kirchen zahlt
Bevor die staatskirchenrechtlichen Diskussionen die Kirche erreichen, machen zuerst die Parteien Verluste. Alle Parteien haben Angst, entscheidende Wählergruppen zu verlieren, und deshalb Sorge, das Fass Religionspolitik aufzumachen.« Gehe man nach den reinen Zahlen, sei die Gruppe der Konfessionslosen längst vergleichbar mit der der Katholiken oder Protestanten, sie müssten deshalb längst gleichberechtigt in der öffentlichen Diskussion vorkommen. Anders als in den Fünfzigerjahren, als fünfundneunzig Prozent der Bundesbürger Christen waren. »Ich habe aber den Eindruck, dass sich die Politik trotzdem lieber an der Kirche orientiert, weil sie da das Gefühl hat, moralisch auf der richtigen Seite zu sein. Noch.«
Ein Bundespolitiker, der sich ganz offiziell nicht an der Kirche orientiert, ist der sechsunddreißigjährige haushaltspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Carsten Schneider. Er ist das SPD-Gesicht der Eurokrise, der junge Erfurter mit der kantigen Brille ist wohl in jeder Tagesschau zum Thema zu sehen. Schon 2010 hatte er mit dem Versuch einiger Kollegen aus der SPD-Fraktion sympathisiert, den Arbeitskreis »Laizistische Sozialdemokraten« in der Partei zu gründen. Schließlich gab es in der SPD schon Arbeitskreise für Religionsgemeinschaften, wie den Arbeitskreis der Christen oder den Arbeitskreis für jüdische Sozialdemokraten. Es sei höchste Zeit, dass sich auch konfessionslose Sozialdemokraten organisierten.
Am 9. Mai 2011 trugen die Laizisten ihr Anliegen dem SPD-Parteivorstand vor und beantragten die formelle Anerkennung als Arbeitskreis. Das wurde einstimmig abgelehnt mit der Begründung, die Trennung von Kirche und Staat sei keine Position, die die SPD nach außen vertreten könne. Die Folge war monatelang andauernde Kritik, darunter der Vorwurf, die SPD schließe Freidenker aus. Ein Jahr später dann, am 14. Januar 2012, nahm SPD-Parteichef Sigmar Gabriel zu der Sache noch einmal ausführlich und öffentlich Stellung. Auf seiner Facebook-Seite. »Ich wurde von mehreren Facebook-Kommentatoren gebeten, mich noch einmal zum Thema Laizisten in der SPD zu äußern. Das tue ich im Sinne der Transparenz gerne, auch wenn ich das Thema nicht wirklich weltbewegend finde. (…) Wenn sich jede beliebige Gruppierung ›Arbeitskreis‹ nennen würde, wüsste kein Außenstehender, wer nun wirklich die Position der SPD nach außen vertritt. Kernanliegen der Laizisten ist die strikte Trennung von Kirche und Staat. Das ist ein völlig legitimes Interesse. Und das können laizistisch orientierte Mitglieder der SPD auch tun. Die entscheidende Frage lautet aber: Ist das die Position der SPD? Die klare Antwort darauf ist: Nein. (…) Und weil ich ahne, dass ich das ohnehin nachher wieder in den Kommentaren lesen werde: Nein, niemand in der SPD-Führung ›frömmelt‹, niemand will irgendjemand missionieren. Nein: Es geht nicht um religiöse Bekenntnisse. Ja: In den christlichen Kirchen läuft einiges schief. Ja, wenn die Parteiführung mit Kirchenvertretern diskutiert, sprechen wir auch das kirchliche Arbeitsrecht an. Ja, ich weiß, dass sich immer mehr Menschen in Deutschland keiner der christlichen Kirchen zugehörig fühlen. Und: Ja, stimmt, der Eintrag ist viel zu lang … So, und jetzt viel Spaß beim Diskutieren! Denn dafür braucht es gerade unsere Partei. Schweigen können die anderen besser! ;-)« – 13 233 Leuten gefällt das.
Statt zu diesem Eintrag möchte Carsten Schneider im Herbst 2012 lieber etwas zur Sache sagen. »Trennung von Staat und Kirche klingt immer sehr radikal.« Es sei eigentlich ganz einfach, denn gerade beim Thema kirchliches Arbeitsrecht gehe es nicht um Religion, sondern um eine staatliche Arbeitsleistung. »Ich finde es nicht hinnehmbar, dass über eine Million Arbeitnehmer in Betrieben, die soziale Dienstleistungen erbringen, keinerlei Streikrecht oder die Rechte des Betriebsverfassungsgesetzes haben. Das hat auch nichts mit dem Verkündungsauftrag der Kirchen zu tun, sondern die erbringen eine staatliche Dienstleistung, sei es im Kindergarten oder im Alten- oder Pflegeheim, dafür bezahlen wir, und deshalb müssen dort auch normale Sozialstandards gelten. Der Verkündungsauftrag, der kann gelten, aber für Pfarrer, für den engsten Bereich, nicht für eine Kindergärtnerin. Man muss das Betriebsverfassungsgesetz ändern.« Und noch ein weiterer Punkt sei entscheidend: »Es kann nicht sein, dass jemand, der Kinder erzieht oder Alte pflegt oder in der Schule
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