Gott hat hohe Nebenkosten: Wer wirklich für die Kirchen zahlt
kann ich nicht verstehen.«
Am Samstag vor der Entscheidung der Stadtverwaltung sitzen die Eltern im Wohnzimmer von Marie Theres Gehling noch einmal zur Vorbereitung zusammen. Vor der Haustür liegen drei Butterbrote auf einem Teller. Die Töchter spielen nur ein paar Meter entfernt. Sie haben den größten Sandkasten im Dorf, denn ihr Haus ist ganz neu und der Garten ist noch nicht ganz fertig. Fünf Kinder sind heute noch zusätzlich zu Besuch. Sie buddeln und bauen Lehmburgen und ab und an läuft eines von ihnen zur angelehnten Terrassentür und guckt, ob die Eltern sich immer noch unterhalten. Der grüne Zettel liegt auf dem Wohnzimmertisch. Ab diesem Tag haben Bernadette Knecht, Josef Griese und die Eltern nichts mehr dagegen, dass sie begleitet werden, dass ihre Geschichte aufgeschrieben wird, dass ihre Namen in einem Buch auftauchen. Sie wollen erzählen. Gleich, später, erst einmal müssen sie selbst über die Stellungnahme sprechen und überlegen, wie sie reagieren.
»Die Kirche versteht überhaupt nicht, worum es uns geht«, ärgert sich Peer Jung und hebt den Zettel hoch. »Sie geht mit keinem Stück darauf ein, was eigentlich die Eltern zu sagen haben, ob sie was zu sagen haben. Die nehmen uns ja nicht mal ernst, wenn sie sagen, wir würden das nur wegen Frau Knecht machen. Sie schmeißen einfach mit Dreck, weil der Pfarrer mit dem Rücken an der Wand steht und stinksauer ist. Ich habe wirklich lange gebraucht zu begreifen, dass die uns nicht verstehen. Seit dieser Stellungnahme ist das offensichtlich.« Marie Theres Gehling fügt hinzu: »Sie sagen wieder, sie sind offen für Gespräche. Aber die Gespräche kennen wir ja.« – »›Wo katholisch draufsteht, muss katholisch drin sein‹«, zitiert Peer Jung aus dem Brief. »Das gibt’s doch nicht. Die verschweigen einfach, dass sie gar nichts zahlen.« – »Ich glaube«, sagt Alice Ernst, »dass es der Kirche wehtut, sich aus der Elementarpädagogik zurückzuziehen. Da sitzt ja der Nachwuchs. Ich glaube, sie erleben das als einen harten Einschnitt. Aber sie haben einfach das Problem, dass die kirchlichen Verantwortlichen über weltliche Dinge urteilen, ohne sich selbst als Teil dieser Welt zu fühlen, und dass sie einerseits ehelos sind, andererseits aber über Ehen urteilen. Die Kirche möchte dem Nachwuchs, das will ich ganz positiv sagen, Gott näherbringen, aber sie verstehen die Welt nicht.« Nachdem die Eltern sich noch einmal ausgetauscht haben, denken sie über den kommenden Montag nach. Doch, sagt Canina Jung zu ihrem Mann, er solle auf jeden Fall etwas zu der Stellungnahme sagen. »Ich würde nur betonen, dass wir erschüttert waren und dass wir das auf keinen Fall ein Jahr länger ertragen können. Du kannst ja mal in die Runde fragen: ›Sagen Sie uns, wie wir das noch ein Jahr länger ertragen können?‹«
Der 19. März 2012 ist der Tag der Entscheidung. Die Eltern stehen vor der Aula des Gymnasiums in Königswinter, wo der Jugendhilfeausschuss tagen wird. Vor dem Gebäude wartet ein Pulk von Menschen, etwa dreißig Mütter und Väter sind an diesem Nachmittag gekommen. Etwas entfernt steht Ulrike Keller.
Einige der Anwesenden haben am Morgen in der Regionalzeitung die Leserbriefe zur Stellungnahme der Kirche gelesen. »Die stimmen einen nicht gerade hoffnungsfroh«, sagt Alice Ernst. Der grüne Brief habe einiges zurechtgerückt, schreibt dort etwa eine Leserin: »Vielleicht sollte man sich bewusst machen, was es heißt, einen Arbeitsplatz innerhalb der Kirche auszuüben. Hier gibt es letztlich nur dienende Funktionen. Das heißt, es geht um die Sache Jesu, also die erkennbare Bereitschaft zu akzeptieren, dass es Wichtigeres und Größeres gibt als das eigene Gutdünken und die eigenen Ideen und die Beliebtheit bei einer ›Mehrheit‹. Die Kindergartenleiterin hat durch ihre Kündigungsschutzklage versucht, sich darüber hinwegzusetzen. Das Verhalten der Elternschaft geht in die gleiche Richtung.« Und ein Leser aus Königswinter formuliert: »Kirche ist eine Religionsgemeinschaft, die ihre Werte offen darstellen und leben muss, um glaubwürdig zu sein, um sich eindeutig zu positionieren und zu profilieren. Die netten Feiern nehmen wir alle gerne mit. So ist zum Beispiel St. Martin im Kindergarten immer besonders beliebt. Aber die netten und schönen Dinge gibt es letztlich nur, weil sie ihre Grundlagen haben in unserem Glauben.«
Die Eltern betreten das Gebäude und nehmen auf den Rängen Platz. Auch Bürgermeister Peter Wirtz
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