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Gott ist tot

Titel: Gott ist tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald F Currie
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darauf ein. Über das verbrannte Zeugnis, das wusste sie, würde ihre Mutter mehr als nur eine Träne vergießen, sie würde ihre Tochter deswegen verfluchen - umso mehr, als sie selbst die Highschool nicht beendet hatte, nachdem sie mit Dani schwanger geworden war. Für ihre Mutter war das Abschlusszeugnis ein Ziel in sich, während Dani darin nur ein Mittel zu einem höheren Ziel sah: zum College und all den Türen, die das Studium ihr öffnen würde. Das Blatt Papier als solches bedeutete ihr
nichts, so viel sie auch sonst auf Zeichen und Symbole, auf Omen und Vorahnungen gab.
    Dieses Wetter zum Beispiel, dieser vollkommene, herrliche Tag. Der helle Sonnenschein, die warme Brise, die geruhsam grasenden Kühe, das im Gleichtakt schwimmende Eistaucherpaar - das alles konnte nur Gutes verheißen. Dani hatte Aufmunterungen fast nie nötig, aber willkommen waren sie ihr doch.
    In dem Augenblick, als das Zeugnis zu glühender Asche zerfiel, tauchten die Eistaucher wieder aus den Tiefen des Teiches. Von den Wellen geschaukelt, schüttelten sie sich vom Kopf bis zum Schwanz trocken, spreizten dann die Flügel und begannen damit zu schlagen, nahmen Fahrt auf, bis ihre dünnen schwarzen Füße gerade noch das Wasser streiften. Sie zogen die Füße in die Daunen unter ihren Bäuchen, fuhren sie ein wie ein Flugzeug sein Fahrgestell, und dann stiegen sie steil in die Höhe und flogen in weitem Bogen über den Waldsaum davon.
    Dani sah ihnen nach und hatte schon wieder Lust, gleich nach North Carolina aufzubrechen. Warum eigentlich nicht? Wozu hierbleiben und den ganzen Sommer im House of Pancakes schuften, wenn sie genauso gut sofort losfahren und schon eine ganze Weile vor Anfang des Herbstsemesters in Chapel Hill sein konnte, mit einer neuen Wohnung, neuen Freunden? Es war die Art von Einfall, bei dem ihren Freundinnen die Knie weich werden würden, von ihrer Mutter gar nicht erst zu reden. Einfach seine Siebensachen packen und losfahren, mit nur ein paar hundert Dollar im Portemonnaie und auf gut Glück? An einen Ort, an dem sie noch nie gewesen war und wo sie niemanden kannte? Die ganze Ungewissheit dabei, das Risiko! Aber wo andere vor der Ungewissheit und dem Risiko zurückschreckten, wurde die Sache für Dani
erst spannend. Und wollten nicht auch in Chapel Hill fetttriefende Frühstücke serviert sein? Gab es nicht auch in Chapel Hill Leute, die sie lieben könnte und von denen sie geliebt würde?
    Es war mehr als ein Zeichen, es war ein Fingerzeig: Was um alles in der Welt hielt sie davon ab, diesem Kaff hier schon morgen den Rücken zu kehren?
    Die Antwort war natürlich: nichts. Absolut gar nichts.
    Und damit war es entschieden. Ihr zweiter Halt nach der Abschlussfeier, bei Bob’s Drive-In an der Benton-Brücke, würde also mehr sein als nur ein lockerer Treff mit den Mädels (denn nichts anderes waren sie letztlich - lieb und nett, aber eben immer noch Mädels), es würde ein Abschied sein. Vielleicht war ja auch Ben mit ein paar von den Jungs da. Dann würde er wieder cool und lässig tun, als hätte er nur mal kurz vorbeigeschaut, doch heimlich hoffte er dabei immer noch, einen Blick auf sie zu erhaschen oder mit etwas Glück sogar ein paar Worte mit ihr zu wechseln, obwohl er eigentlich wissen musste, dass es aus zwischen ihnen war, endgültig aus, schließlich hatte er noch ein Schuljahr vor sich, und selbst wenn dieses Jahr nicht wäre, war es immer noch aus, denn so widerstrebend es Dani sich und erst recht ihm eingestand: Sie liebte ihn nun mal nicht. So einfach lagen die Dinge manchmal, auch wenn die Leute sich noch so viel einfallen ließen, um es alles komplizierter zu machen.
    Sie stieg wieder ins Auto und brauste die kleine Zufahrtsstraße hinauf, dass der Kies nur so spritzte, ganz beschwingt von ihrer Entscheidung, auch wenn sie wenig Lust darauf hatte, Ben zu treffen und es ihm eröffnen zu müssen; besser, er erfuhr es von einer ihrer Freundinnen, morgen oder übermorgen, wenn er Zeit hatte, allein damit fertig zu werden. Kummer dieser Art verarbeitete man am leichtesten für
sich, glaubte Dani, fern von Freunden und Familie, und vor allem fern von der Person, die den Kummer verursacht hatte. Sie wusste, Ben liebte sie, aber sie wusste auch, was diese Liebe aus ihr machen wollte - die Frau eines Fabrikarbeiters mit fünf Kindern und splissigem Haar, die nichts ihr Eigen nennen konnte außer den Krampfadern an ihren Beinen. Ein kleiner Teil von ihr hasste Ben deswegen. Und sie wusste, dass sein

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