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Gott ist tot

Titel: Gott ist tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald F Currie
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erwarteten, wenn uns schließlich das Essen ausging.
    Dann rief Rick uns der Reihe nach auf, und einer nach dem anderen sagten wir ja. Es war leicht im Dunkeln, bestürzend leicht, so als ginge es um nichts Schwerwiegenderes als um die Frage, welchen Belag wir auf unsere Pizza wollten. Wir zündeten die Lampe an, besiegelten unseren Pakt mit einem stumpfen Aneinanderklacken nahezu leerer Bierdosen und legten uns schlafen.
    Es schien noch die Beste aus einer ganzen Palette von üblen Aussichten.
     
    Jetzt allerdings, als ich die Überreste von zwei Jungen aufwischte, mit denen ich in der ersten Klasse Kickball gespielt hatte, war ich mir da nicht mehr so sicher. Ich hatte das Wasser in meinem Eimer schon dreimal ausgewechselt und es damit lediglich geschafft, die Sauerei zu verdünnen und weiterzuverteilen; die Kiefernbohlen waren mit seifig-rosa
Schlieren überzogen, als hätte jemand einen Kübel Erdbeer-Shake ausgekippt. Zwei dunklere Schmierer reichten bis hinaus in den Windfang, durch den die Leichen ins Freie geschleift worden waren. Es hätte Stunden gedauert, ordentlich sauberzumachen, und acht von uns standen schließlich noch aus.
    Ich schob meinen Wischmopp noch ein bisschen hin und her, um meine Putzanstrengungen überzeugender wirken zu lassen; die anderen lehnten derweil an Türrahmen und unverspritzten Wandabschnitten, rauchend, schauend. Endlich hielt Rick mir ein Pabst hin. »Reicht schon«, sagte er. »Bald stört’s eh keinen mehr.«
    Seine andere Hand war um acht rote Trinkhalme von ungleicher Länge geballt. »Herkommen«, befahl er, und wir gehorchten, schleppend. Zum ersten Mal fiel mir auf, wie wir alle stanken. Unsere letzte Dusche lag eine Woche zurück, und das einzige Deo im Haus hatte Ricks Vater gehört und war deshalb tabu.
    Leo und Cole zogen die kurzen Halme. Rick hatte sich beide Pistolen in den Gürtel gesteckt, und nun holte er sie hervor. Cole stieß einen Seufzer aus, in dem sich Resignation mit Erleichterung mischte, und nahm einen. Er wog ihn in der Hand, fasste Leo ins Auge.
    Leo warf einen Blick auf Cole, dann rannte er los, durch den Windfang und hinaus in die Nacht, wobei er mit schriller Stimme schrie, wie leid es ihm tue, er sei kein bisschen weniger unglücklich und verängstigt als wir anderen, aber für so etwas habe er nicht den Nerv, ganz egal, wie betrunken er war.
    »Ihr wartet hier«, sagte Rick. Und er setzte Leo nach, die Pistole noch in der Hand.
    Ich war als Erster draußen auf der Veranda, gerade noch
rechtzeitig, um Ricks Schatten in die Dunkelheit am Ende der Straße eintauchen zu sehen. Er bog nach links und verschwand, sprintend wie ein Olympiakämpfer; seine nackten Sohlen platschten auf dem Asphalt. Wir warteten und horchten, konnten aber nichts hören als den Lärm der Ochsenfrösche aus dem kleinen künstlichen Teich zwei Häuser weiter.
    Fünfzehn Minuten verstrichen, eine halbe Stunde. Wesley ging in die Garage, um uns allen noch ein Bier zu holen, und kam mit einem tiefen Schnitt in der Handfläche zurück.
    »Bin über die Schneefräse gestolpert«, sagte er mit einer kleinlauten Grimasse. Er reichte die blutverschmierten Biere herum.
    »Das sieht bös aus«, sagte Allen. »Desinfizier das lieber. Wickel eine Serviette drum oder so.«
    Wesley sah ihn nur an. »Wozu?«, fragte er.
    Cole, der in einem Korbstuhl zwischen mir und Wesley saß, leerte sein Bier in drei Zügen und ließ einen satten Rülpser los.
    »Ach, scheiß drauf«, sagte er. Er schob sich die Mündung zwischen die Zähne, holte am Lauf vorbei mehrmals rasch Atem und drückte ab. Die Kugel riss ein tennisballgroßes Loch in die Rückwand seines Schädels und zerschmetterte das Fenster hinter ihm. Nur ein paar schartige Glasdreiecke steckten noch im Fensterrahmen, triefend von Blut und Hirnmasse.
    »Fuck«, sagte Allen. Sein Bier war ihm aus den tauben Fingern gerutscht und lag in einer Schaumpfütze auf der obersten Stufe. Von den anderen sagte keiner etwas. Auf ihren Gesichtern zeichnete sich nur ganz schwach eine flüchtige Überraschtheit ab und verlor sich dann wieder, während wir noch ein bisschen länger auf Rick warteten.
    »Meint ihr, er hat ihn gekriegt?«, fragte Chad.

    »Eher schon«, sagte Jack. »Ein Weltklasseläufer ist Leo nicht grade.«
    »Wenn er ihn gekriegt hätte, hätten wir was gehört«, meinte Wesley. »Einen Schuss. Einen Schrei. Irgendwas.«
    Ich wappnete mich mit einem großen Schluck Bier. »Vielleicht ist das hier ja ein Riesenfehler«, sagte ich.

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