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Gott ist tot

Titel: Gott ist tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald F Currie
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»Ich meine, klar ist es jetzt ein bisschen spät zum Diskutieren. Aber trotzdem.«
    Wesley sah mich an. »Das würdest du nicht sagen, wenn Rick hier wäre.«
    »Da hast du verdammt noch mal recht«, sagte ich. »Weil Rick sie nicht mehr alle hat. Er ist irgendwo da draußen und jagt Leo, unseren Freund. Der uns zum Schulabschluss alle in die Ferienwohnung von seinem Vater in Florida eingeladen hat. Und wenn Rick ihn fängt, knallt er ihn ab wie einen Hund.«
    »Freunde sind wir trotzdem«, sagte Jack. »Nur deshalb machen wir das doch. Es ist so eine Art heilige Pflicht.«
    »Leo hat dafür gestimmt, genau wie wir anderen auch«, sagte Wesley. »Mann, er tut mir doch auch leid. Aber er hat mit Ja gestimmt. Ben und Manny haben es durchgezogen, und Cole ist in Vorleistung getreten. Jetzt kann keiner mehr zurück.«
    Ich schielte hinüber zu der Pistole neben Coles Stuhl. Wesley bemerkte meinen Blick, und er hob sie auf und legte sie sich auf den Schoß.
    »Ich würde eben gern meine Familie wiedersehen«, sagte Allen. »Ist vielleicht peinlich, das laut zu sagen, aber was soll’s. Meine Eltern fehlen mir.«
    Ich hatte weder das Herz noch die Energie, ihn daran zu erinnern, wie wenig letztlich für die Existenz irgendeiner Form von Leben nach dem Tod sprach.

    Wesley wendete seine Hand im Mondlicht nach oben und strich vorsichtig über die Wunde in seiner Handfläche, die aufgehört hatte zu bluten. »Wenn ihr jetzt in dieser Sekunde jedes Essen kriegen könntet, das ihr nur wolltet - was wäre das?«
    Alle außer mir sprangen darauf an - endlich ein Thema, für das sie sich erwärmen konnten. Chad wollte eine Pupu-Platte, aber ohne die Frühlingsrollen und stattdessen mit einer Extraportion Teriyaki-Beef. Jack träumte von den Philly-Cheesesteak-Sandwiches, die es mittwochs immer in der Bodega Bar gegeben hatte. Und Allen sehnte sich nach der Lasagne seiner Mutter, die bei niedriger Temperatur fast einen vollen Tag im Rohr garte, mit Zwiebeln, Ricotta und gemischtem Hack und obendrauf einer dicken Schicht Provolone, die nach den Rändern hin knusprig braun wurde.
    »Mist, ja, ihre Lasagne war der Wahnsinn«, sagte Chad. »Kann ich meine Antwort umändern?«
    Lauf, Leo , dachte ich. Lauf wie der Teufel.
     
    Kurz nach Mitternacht bildete sich ein kreisrunder Hof um den Mond, glasklar und mit einem sachten Regenbogenschimmer am äußeren Rand. Herbstliche Kühle strömte ins Tal ein, brachte die Frösche zum Schweigen und trieb uns ins Haus. Wir ließen Cole in seinem Stuhl und ersetzten die heruntergebrannten Kerzen durch frische.
    »Leo ist weg«, sagte Rick, als er eine Viertelstunde später hereinkam. Er stellte ein ungeöffnetes Pabst auf den Couchtisch und beugte sich vor, die Hände auf die Knie gestützt, noch völlig außer Atem. Seine Füße waren an den Seiten schwarz verfärbt, mit flammend rosa Stellen dazwischen, wo die frischen Blasen schon aufgeplatzt waren.
    »Soll heißen?«, fragte Wesley.

    »Soll heißen, er ist mir entwischt«, sagte Rick. »Ich bin quer durch die ganze Stadt, bis rüber zum Industriegebiet. Ich muss zehn Meilen gerannt sein. Er ist weg.«
    »Verdammter Schisser«, sagte Wesley. Chad brummte zustimmend.
    »Auch egal«, sagte Rick. Er richtete sich auf und knetete sich die schmerzende Seite. »Jetzt trink ich ganz schnell ein Bier. Und dann ziehen wir wieder und bringen es hinter uns.«
    »Vielleicht sollten wir uns das mit dem Ziehen schenken und einfach so entscheiden, wer dran ist«, meinte Wesley mit einem vielsagenden Blick auf mich. »Bevor der Nächste kalte Füße kriegt.«
    Rick riss die Dose auf und trank einen tiefen Zug. »Bedenken?«, fragte er mich.
    Einen Moment lang sah ich ihn an und dachte dann, scheiß drauf, tot sein würde ich am Ende so oder so. »Mmh«, sagte ich. »Doch.«
    »Sollen wir drüber reden?«
    »Macht das einen Unterschied?«
    Er seufzte. »Eher nicht. Aber reden wir trotzdem. Draußen.«
    Ich folgte ihm durch den Windfang auf die Veranda und versuchte, so gut es ging, das rhythmische Klicken des Kolbens gegen seine retro-hippe Heavy-Equipment-Operator-Gürtelschnalle auszublenden. Er zeigte auf Coles Leichnam, der kalt und ganz schwach nach Scheiße riechend im Mondschein saß.
    »War das er selber?«, fragte Rick.
    »Ja.«
    »Guter alter Cole. Nervenstark bis zum Schluss.«
    »Ich weiß nicht«, sagte ich. »Ich glaube, es war eher Verzweiflung und Angst, wie bei uns allen.«

    »Und Langeweile«, sagte Rick.
    »Das auch.«
    Eine Minute

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