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Gott ist tot

Titel: Gott ist tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald F Currie
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Leichnam des Schöpfers, und uns ließ er zurück, auch jetzt noch in unsere Käfige gesperrt. Die anderen hatten seit sechs Tagen kein Futter und kein Wasser mehr bekommen. Ihre Rippen zeichneten sich durch das Fell ab, und ihre Schnauzen waren trocken und rissig. Sie mussten sich in die äußerste Ecke ihrer Zwinger drücken, um nicht im eigenen Kot zu liegen.

     
    F? Ich kann nur annehmen, dass er uns in seiner Wohnung verrecken lassen wollte. Damals traf diese Erkenntnis mich sehr schmerzhaft. Auch in dieser Hinsicht klafft ein tiefer moralischer Abgrund zwischen euereins und unsereins. Ein Hund missbraucht die Zuneigung anderer nicht dazu, sie zu hintergehen, wie Mubarak das getan hat. Es kommt einfach nicht vor. Als ich begriff, dass er abgereist war, ohne einen Gedanken an uns zu vergeuden, war ich verwirrt. Ich zerbrach mir den Kopf darüber, was wir falsch gemacht haben konnten; ich suchte die Schuld nur bei uns. Selbst heute, wo ich um so vieles klüger bin als damals, tut es immer noch weh, von ihm dem Hungertod überlassen worden zu sein.
     
    F? Wir trauerten, um alles, was wir verloren hatten, und um alles, was wir noch verlieren würden. Bei Hunden heißt Trauern Heulen, und so heulten wir, die Nacht hindurch bis weit in den nächsten Tag. Die Stimmen der anderen wurden schwächer und verstummten nach und nach ganz, und bald jaulte ich als Einziger noch die Wände dieses Zimmers an, warf mich als Einziger noch gegen die Gitterstäbe des Käfigs, dass mir das Blut aus der Schnauze lief, während meine Organe sich immer mehr zusammenzogen und ihre Funktion einstellten.
     
    F? Mubaraks weiteres Schicksal ist hinreichend dokumentiert; ich weiß darüber wohl kaum mehr als du. Er traf sich in London mit Ibrahim Hussein Al-Jamil, einem Freund und Kollegen, der am King’s College unterrichtete. Die beiden überwachten die Autopsie des Schöpfers und die Untersuchung seines Leichnams, an dem unter anderem eine masselose Struktur nachgewiesen wurde, die langbewährte physikalische Grundsätze Lügen strafte. Eine Gruppe hochkarätiger Wissenschaftler wurde nach London berufen; allesamt
folgerten sie das auf der Hand Liegende und beschlossen einhellig, dass es vor der Öffentlichkeit geheim gehalten werden musste. Mubarak, dem Anerkennung und persönliche Bereicherung mehr bedeuteten als der Erhalt der menschlichen Gesellschaft, setzte sich über diese Vereinbarung hinweg.
     
    F? Nach dem, was man hört, erinnerte sein bizarres Verhalten an die Symptome gewisser neurologischer Störungen - Tics, Krämpfe, katatonische Anfälle, Gestammel -, nur dass die Krankheit bei ihm äußerst rapide voranschritt. Er führte Veitstänze auf, mitten im Londoner Mittagsverkehr, und fuhr einen geschlagenen Tag, dicke Spuckefäden sabbernd, auf der Piccadilly Line hin und her, immer die Schlaufe um Heathrow, bis der Zugführer ihn von der Polizei an die Luft setzen ließ. Während eines Interviews für 60 Minutes urinierte er dann auf Ed Bradley und verschwand kurz darauf spurlos. Wenige Tage später wurde sein Leichnam aus der Themse gezogen, an einem Schleusentor im Osten Londons.
     
    F? Richtig. Allgemein wird von Unfall oder Selbstmord ausgegangen.
     
    F? Ja, ich bin über die tatsächlichen Umstände seines Todes im Bilde, aber ich werde sie hier nicht preisgeben. Ed Bradley hatte damit jedenfalls nichts zu tun.
     
    F? Zu dieser Zeit war ich selbst dem Tode nahe. Die anderen waren bereits eine Woche tot, als Mubaraks Haushälterin, ein Mädchen namens Lily Gabriel Holland, die Tür zum Gästezimmer einen Spalt aufmachte und den Kopf hindurchstreckte.
Bei unserem Anblick stieß sie sie ganz auf und kam herein, groß und furchtlos, eine Christin, die ihren muslimischen Herrn in seinem eigenen Haus verfluchte.
     
    F? Anfangs hielt sie uns alle für tot. Über ihre Wangen flossen Tränen, aber ihre Stimme zitterte nicht. »Was hat er getan, dieser Verbrecher?«, fragte sie und ging langsam von Käfig zu Käfig.
    Ich war zu schwach zum Aufstehen. »Hilf mir«, bat ich.
    Lily packte die Gitterstäbe meines Käfigs und rüttelte kräftig daran. »Du lebst ja«, sagte sie.
    »Ich lebe«, sagte ich. »Gerade noch.«
    »Wie kommt es, dass du zu mir sprichst?«
    »Dein Gott ist tot«, sagte ich ihr.
    »Ja«, sagte sie. Sie rüttelte noch einmal an den Stäben und besah sich das Schloss. »Bei uns in Mandela gehen Gerüchte um, obwohl die Regierung es zu vertuschen versucht. Die Leute haben mehr Angst vor einer Welt ohne Gott

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