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Gott ist tot

Titel: Gott ist tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald F Currie
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Englisch durch seinen Mundschutz: »He! Was machen Sie da?« Eilig hineingestopfte Kniescheiben und Ellbogen spießten aus dem Sack, und Mubarak gab es auf, sich mit dem Reißverschluss abzumühen, als der Entwicklungshelfer mit zwei anderen auf ihn zukam. Stattdessen schleifte er den Leichnam zur Ladefläche des Land Rovers und wuchtete ihn hinein, um dann vorne auf den Fahrersitz zu klettern und aufs Gas zu steigen, bevor noch die Tür richtig zu war.
    Die Entwicklungshelfer rannten hinter uns her, aber eine Wolke von gelbem Staub wirbelte hinter den Rädern auf und hüllte sie ein, und wir brausten weg und sahen sie nicht mehr. Mubarak drückte das Gaspedal durch, bis das Camp zur Gänze mit dem Horizont hinter uns verschmolzen war. Dann hielt er mit einem Ruck an, stieg aus und stapfte wieder zum Heck.
    Ich wusste, was er vorhatte.
    »Ich bin mir nicht sicher, ob das klug ist«, sagte ich, aber er hatte die Klappe schon heruntergelassen und zog ein Springmesser aus der Brusttasche seiner Khakiweste.
    »Halt’s Maul«, sagte er. Er sah zu mir auf; verschwunden war all die Güte, die er uns bezeigt hatte, jäh ersetzt durch etwas Niederes und Unheimliches, etwas, das selbst meinem Raubtierherzen einen Stich der Angst versetzte. »Wenn ihr gelogen habt …«
    Die Hand des Schöpfers hing aus der Öffnung des Sacks, die blasse Handfläche nach oben gewendet, und Mubarak packte sie beim Daumen und schnitt mit seinem Messer ein
blutleeres Scheibchen Fleisch ab. Unmittelbar bevor das Fleisch seine Lippen berührte, zögerte er, ein winziges Stocken. Ich sah, dass seine Finger zitterten. Dann biss er zu, fest, so als äße er etwas, das zurückbeißen könnte. Mit geschlossenen Augen kaute er hastig und musste den Kopf zum Schlucken in den Nacken werfen.
    Als er die Augen wieder aufschlug, blinzelte er wie jemand, der ins Helle hinaustritt, unsicher, erwartungsvoll, merkte jedoch schnell, dass sich nichts verändert hatte, weder in ihm noch in der Art, wie er seine Umgebung wahrnahm. Enttäuschung malte sich auf seinen Zügen, dann Wut. Er knallte die Heckklappe zu und setzte sich wieder ans Steuer.
    »Ihr habt einen Kannibalen aus mir gemacht, für nichts und wieder nichts«, sagte er.
    »Herr Professor«, sagte ich, »wir haben Ihnen gesagt, dass die Verwandlung Zeit braucht.« Ich erwog auch, ihn darauf hinzuweisen, dass ich ihm vom Verzehr des Schöpfers abgeraten hatte, verzichtete aber darauf.
    Ohnehin hörte er schon nicht mehr zu. Er wendete den Wagen und lenkte zurück nach Norden, rumpelte in weitem Bogen um das Flüchtlingscamp herum. Wir fuhren schweigend, bis die Nacht anbrach; dann hielt Mubarak am Straßenrand, kippte den Sitz nach hinten und schlief mit über der Brust verschränkten Armen ein.
     
    F? Ganz einfach, am Morgen darauf war er verwandelt, genau wie wir. Mubarak sprach es nicht an - mit keiner Silbe -, aber es war unübersehbar. Was immer er durch die Verwandlung gewonnen hatte (eine Frage, die ich bis heute nicht beantworten kann, denn unsere gemeinsame Zeit ging ihrem Ende zu, und ich sollte ihn nicht lebend wiedersehen), mir erschien er durch sie eher auf seltsame und unerklärliche
Weise behindert. Zum Beispiel tat er sich plötzlich mit dem Autofahren schwer - ließ die Gänge knirschen, trat aufs Gas, wenn er hätte bremsen sollen, und umgekehrt und bemerkte es zu spät, wenn die Straße eine Biegung machte. Mehr als einmal blieb er im Sand neben der Piste stecken und bekam den Wagen nur mit dem Wagenheber wieder frei. Wenn er sprach, was nicht oft der Fall war, gerieten ihm Wörter in seine Sätze, die dort nichts zu suchen hatten und derer er sich gar nicht bewusst zu sein schien. So sagte er etwa: »Ich muss Ibrahim anrufen und veranlassen, dass der Leichnam pädagogisch nach London überführt wird.«
    »Wie bitte?«, sagte ich. »Herr Professor, geht es Ihnen nicht gut?«
    »Sei ruhig. Ich hab nicht mit dir geredet. Ich hab nur einen Fingerhut laut gedacht.«
    Und weiter in diesem Stil. Es war eine sonderbare, beklemmende Rückfahrt nach Khartoum, nicht nur wegen Mubaraks merkwürdigem Verhalten, sondern auch, weil immer klarer wurde, dass er - nachdem wir ihm so vertraut hatten!, nachdem wir uns von ihm sogar in Eisenzwinger hatten einsperren lassen! - gar nicht daran dachte, uns in die Gesellschaft der Menschen einzuführen.
     
    F? Streng genommen gar nichts. Als wir wieder in Khartoum waren, sperrte er mich einfach zu den anderen. Am Tag darauf reiste er nach London ab, mit dem

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