Gott oder Zufall?
Wie die Justiz hängt auch die Wissenschaft von der genauen Wiedergabe von Fakten und der Infragestellung möglicher Erklärungen ab. © © Corbis/Eric Nathan/Loop Images
Oberflächlichkeit und ein Mangel an Sorgfalt beim Studium der Texte können zu unnötigen Problemen sowie zu Spannungen zwischen der Wissenschaft und der Bibel führen. Wie beim Schattenboxen, bei dem ein imaginärer Gegner ins Leben gerufen wird, um ihn dann bewusstlos zu schlagen, können auf diese Weise nutzlose Schwierigkeiten erzeugt werden. Sie tragen zu der recht weitverbreiteten Ansicht bei, Wissenschaft und Religion stünden auf Kriegsfuß – das ist die sogenannte
Konflikttheorie
(siehe Kapitel
Das Wesen der Dinge/ Die Konflikttheorie
). Wer beispielsweise die Pluralität möglicher kompatibler Erklärungen von Gegenständen und Ereignissen nicht anerkennt, überschätzt die zugegebenermaßen beachtliche Aussagekraft der Wissenschaft und blendet andere Erklärungsmechanismen aus. Die Wissenschaft kann oftmals selbst Rätsel ordentlich lösen – auch wenn das sicher nicht immer gelingt.
Die Teilung des Roten Meeres,
wie von Richard Mcbee bildlich dargestellt © © Bridgeman Art Library
Christliche Blickwinkel auf die Wissenschaft
Die üblichen Probleme in der Wissenschaft können gemeinsam von Menschen mit und ohne religiösen Glauben bearbeitet werden. Es ist heutzutage üblich in der Wissenschaft, Gott nicht zu erwähnen. Doch bei der Entwicklung der modernen Wissenschaft haben christliche Glaubensvorstellungen eine bedeutende Rolle gespielt.
Eugene Wigner folgerte: »Die ungeheure Nützlichkeit der Mathematik in den Naturwissenschaften grenzt ans Mysteriöse, und es gibt keine rationale Erklärung für sie.« Auch wenn es stimmt, dass die Mathematik, die ein Produkt des menschlichen Geistes ist, sehr elegant auf eine materielle Welt hinweist, die lange vor unserer Ankunft auf Erden existierte, gibt es für Christen sehr wohl eine Erklärung – dass es nämlich bedeute, »Gottes Gedanken nachzudenken«, ein Ausspruch, der dem aus dem 16. / 17. Jahrhundert stammenden Astronomen Johannes Kepler zugeschrieben wird, mit dem er seine astronomische Arbeit beschrieb. Den Christen gab ihr Glaube im Laufe der Jahrhunderte zusätzliche Motivationen, um Wissenschaft zu treiben, denn:
Die bereits erwähnten Voraussetzungen der Wissenschaft stimmen mit dem Glauben an das beständige Wesen Gottes überein.
Gottes Weisung, gute Verwalter der Schöpfung zu sein, scheint die Wissenschaft zu fördern und ein Weg zu sein, um dieses Ziel zu erreichen. Die ganze Schöpfung kann natürlich besser beherrscht werden, wenn man weiß, wie sie aufgebaut ist und funktioniert.
Es schien, dass Gott durch wissenschaftliche Beobachtungen der Welt verherrlicht werden konnte, da dies sowohl das Leiden erleichtern als auch Gottes Weisheit und Macht offenbaren konnte.
Christen glauben, dass die Schöpfung eine freiwillige Tat Gottes sei. Philosophisch gesprochen, ist sie kontingent (in anderen Worten, es hätte auch anders sein können) statt notwendig (es musste so sein). Daher müssen Experimente durchgeführt werden, um dahinterzukommen, statt nur nach Antworten zu suchen oder die Schriften von Autoritäten wie Aristoteles zu konsultieren.
Der Pantheismus der antiken Griechen, der Gott mit der Welt gleichsetzte, ließ sich durch das Experiment nicht bestätigen. Im Gegensatz dazu beseitigte der christliche Glaube dieses Hindernis, indem er eine klare Unterscheidung zwischen dem Schöpfer und der Schöpfung machte.
Wenn Joseph Needham in Bezug auf die Wissenschaft in China recht hat, überrascht es nicht, dass die arabische Welt mit ihrem Glauben an einen Schöpfer ebenfalls viel zur Wissenschaft beigetragen hat. Die Gründe dafür, weshalb die moderne Wissenschaft nur im Westen aufkam, bleibt ein Paradox, das von den Historikern viel diskutiert wird.
Weshalb haben die moderne Wissenschaft und die Mathematisierung von Hypothesen über die Natur mit all ihren fortschrittlichen Technologien ihren kometenhaften Aufstieg nur im Westen zur Zeit Galileos geschafft? … Die Vorstellungen von einem Höchsten Wesen, die natürlich von frühester Zeit an vorhanden waren, wurden derart früh depersonalisiert und entbehrten so sehr eines schöpferischen Plans, dass sie die Entwicklung einer Vorstellung über Gesetze verhinderten, die von einem himmlischen Gesetzesgeber von Anfang an für die nichtmenschliche Natur vorherbestimmt waren.
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