Gott oder Zufall?
durch die Wirkung seiner eigenen Gesetze entstanden seien.«
Die »Tage« in der Genesis
In Genesis 1 wird Gottes Schöpfungswerk so dargestellt, als hätte es sich innerhalb von sechs Tagen abgespielt. Die naheliegende Bedeutung von »Tag« ist eine Zeitdauer von 24 Stunden, aber es gibt noch weitere mögliche Interpretationen:
Sie können lange Zeiträume bedeuten, vielleicht geologische Epochen. Seit frühester Zeit hat man das allgemein so verstanden. Sowohl Origenes als auch Augustinus vertraten die Auffassung, dass die in der Genesis angeführten Tage keinerlei Beziehung zu menschlichen Tagen haben können.
Der schottische Geistliche Thomas Chalmers meinte, die sechs Tage seien Tage der Wiederherstellung – nicht der Schöpfung. Er glaubte, eine Katastrophe habe sich zwischen der Schöpfung des Himmels und der Erde sowie der formlosen leeren Welt, wie in Genesis 2,1 beschrieben, zugetragen (Genesis 1,1). Natürlich kann es eine Reihe von Katastrophen gegeben haben, die sich möglicherweise mit dem vom Fossilbericht enthüllten Massensterben decken. Zwischen den Tagen der Wiederherstellung einerseits und der ursprünglichen Schöpfung sowie dem Fossilbericht andererseits bestehe kein Zusammenhang, und daher (so wird argumentiert) könne es keinen Konflikt mit der Wissenschaft geben. Diese »Lückentheorie« wurde von Cyrus I. Scofield in seiner mit Anmerkungen versehenen »Scofield-Bibel« mit aufgenommen und erzielte unter Evangelikalen weite Verbreitung. Trotzdem beruht sie auf der Interpretation des Verbes in Genesis 1,2 als »die Erde
wurde«,
was falsch ist. Außerdem wäre in Genesis 1 (und Genesis 2,2, und Exodus 20,11) erforderlich, dass das Verb »schaffen« bzw. »machen« die Bedeutung von »neu machen« hätte. Das ist aber nicht der Fall, und daher gibt es keine Rechtfertigung für diese Theorie.
Da der »Sabbat […] für den Menschen da« ist (Markus 2,27; natürlich brauchte der Schöpfer keinen Ruhetag), so meinte Philip Wiseman, sei er zur Erholung des Menschen da, und daher »ist es nur vernünftig, anzunehmen, dass das, was an den ›sechs Tagen‹ erschaffen wurde, auch etwas mit den Menschen zu tun hatte«. Wenn ja, dann hatte offenbar nicht Gott die Erde und das ganze Leben erschaffen, weil es damals ja noch keine Menschen gab, als sie erschaffen wurden. Sodann meint er, dass aus der wiederholten Formulierung »Gott sagte« zu schließen sei, Gott berichte, was er in vergangenen Zeiten getan habe. Die sechs Tage werden somit zu »Tagen der Offenbarung«. Diese Vorstellung weist wie die »Lückentheorie« exegetische Probleme auf, weil das in Exodus 20,11 übersetzte Wort »gemacht« nicht »bekannt gemacht« bedeuten kann.
Schließlich kann Genesis 1 ein antiker Hymnus sein. Diese Auffassung wurde von Augustinus vertreten. Es gibt zwei Triaden von Tagen, bei denen Ähnlichkeiten zwischen den Tagen 1 und 4, 2 und 5 und 3 und 6 auftreten. Dem Licht an Tag 1 entsprechen die Gestirne von Tag 4; die Schöpfung des Himmelsgewölbes und die Trennung vom Wasser (Tag 2) – all das steht in einem Zusammenhang mit der Schöpfung der Vögel und Fische (Tag 5); und das Auftauchen des trockenen Landes und der Vegetation (Tag 3) entspricht den Landtieren, samt der Gabe der Nahrung (Tag 6). Die Überlieferung des Mittelalters unterschied zwischen dem Werk der Trennung (Tage 1–3) und dem Werk der Verschönerung (Tage 4–6).
Oftmals wird behauptet, dass das als »Tag« übersetzte hebräische Wort
(yom)
in den Schöpfungsberichten immer einen 24-stündigen Zeitraum bedeute. Dem ist nicht so.
Yom
wird in der Schöpfungsgeschichte in mehreren unterschiedlichen Bedeutungen verwendet: In 1,5 bezeichnet es das »Licht« als Tag; in 2,4 beschreibt es die »Zeit, als Gott, der Herr, Erde und Himmel machte«. In Johannes 5,17 sagt Jesus: »Mein Vater ist noch immer am Werk, und auch ich bin am Werk«, was sich auf den siebenten Tag der Schöpfungswoche bezieht. Wir müssen versuchen, zu vermeiden, den Text mit irgendeiner bestimmten Interpretation der Schöpfungsgeschichte in Übereinstimmung zu bringen. Er schildert das Verhältnis Gottes zu seiner Schöpfung – nicht bloß das, was Gott in sechs Tagen getan hat. Die Krone der Schöpfung ist nicht die Menschheit am sechsten Tag, sondern der Schöpfer selbst am siebenten. Die Bibel verknüpft den Sabbat mit der ganzen Schöpfung (Exodus 20,11).
Darwin und die Evolution
Das traditionelle Verständnis von Gottes Schöpfungswerk, wie es bei den
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