Gott sacker Kriminalroman
verständnisvoll und ließ ihn weiterreden.
»Ich habe der Polizei halt gesagt, ich sei davon ausgegangen,
dass nach dem Segen der Gottesdienst aus ist. Wenn sie dich noch einmal
befragen, kannst du das ja auch in die Richtung lenken.« Fragend schaute er
mich an.
Ich nickte noch einmal: »Verstehe. Frauengeschichte?«
Philipp bekam rote Flecken auf den Wangen und zuckte mit den
schmalen Schultern.
»Hilde soll auf keinen Fall etwas erfahren. Ich kann das
aber der Polizei so nicht erzählen. Wenn Hilde Wind davon bekommt, ist Schluss,
bevor es angefangen hat. Und die andere Geschichte, die wurde eben nach dem
Gedenkgottesdienst beendet. Bitte kein Wort zu irgendjemandem.«
Ich gab dem verlegenen Philipp die Hand: »Ehrenwort. Und sieh
die Sache nicht so dramatisch, die können dir doch nichts anhaben, weil du zehn
Minuten früher aus dem Gottesdienst gegangen bist.«
»Ich hab mich halt gleich in ein paar Widersprüche verstricken
lassen. Die blonde Kommissarin, die hier immer herumschleicht, hat mich
ausgefragt. Und ich bin in alle Fallen getappt, die sie mir gestellt hat.«
Philipp schluckte heftig. Ich legte ihm die Hand auf die
Schulter, begleitete ihn nach draußen und tröstete ihn: »Wenn sie mich das
nächste Mal darüber befragen, werde ich versuchen, das hinzubiegen.«
Wie, wusste ich noch nicht.
Die Gelegenheit dazu bekam ich noch am selben
Tag. Zu Hause erhielt ich einen Anruf der Polizeidienststelle in Bad Saulgau,
ich möge doch nachmittags vorbeikommen, um einige Aussagen zu machen.
Und so bewegte ich gegen 15 Uhr mein starkes Eisen Richtung
Riedstraße. Der Teer war durch die Hitze an vielen Stellen zähflüssig und gab
in heißen Schwaden sein Straßen-Aroma an die Umwelt ab. Manche Straßenmäander
konnte ich nur im Schritttempo nehmen, damit das Hinterrad nicht wegschmierte.
Ein kleiner Dreh am Gasgriff ließ das riemengetriebene Hinterrad auf dem
flüssigen Teer augenblicklich durchdrehen.
Die flirrende Riedlandschaft mit ihren Birkenbruchwäldern
und betrunken wogenden Inseln von Rohrkolben glitt langsam an mir vorbei. Die
einstige Hochmoor-Vegetation war durch jahrhundertelanges Torfstechen abgeräumt
worden. Das Wasser flüchtete irgendwie aus dem Moor, unser Ried verlandete mehr
und mehr. Zur Rettung des Rieds hatte sich schon eine Interessengemeinschaft
›Wasser für das Ried‹ gebildet, die die Ostrach mit ihrer Vorflutfunktion und
andere Bäche dazu nötigen wollten, das austrocknende Ried wieder besser zu
befeuchten.
Im Vorbeifahren wechselten sich in der vor Hitze flirrenden
Landschaft Torfstiche und sogenannte Belegfelder zum Trocknen der
herausgestochenen Wasenstücke ab. Heute ging dieser Beschäftigung des
Torfstechens kaum mehr jemand nach, außer aus musealen oder folkloristisch-historischen
Motiven. Niemand heizte mehr mit Torf, und keiner wusste so richtig, wie man
mit diesem sensiblen Ökosystem umgehen sollte. Verlanden lassen, wieder
bewässern, renaturieren.
Manchmal kamen kreischende Schulklassen mit hochmotivierten
Lehrern im Rahmen eines handlungsorientierten Projekts zum Torfstechen. Ich
fragte mich dann immer, ob diese hyperaktiven Schreihälse, die sofort mit den
Spaten aufeinander losgingen, später alle Torfstecher würden?
Im Laufe weniger Jahre hatte sich auf den Trockenfeldern ein
Urwald aus Birken, Kiefern, Espen und Fichten angesiedelt, und auf fein
hergerichteten Wegchen eilten Pfunde verbrennende Touristinnen verzückt durch
die urige Natur.
Wenige Meter neben der Straße schreckte eine Reiherente,
durch den Sound des großvolumigen Motors gestört, aus den Gräsern, um laut
schimpfend im moorig-dunklen Wasser des nächsten Tümpels zu landen. Schwimm-
und Tauchblattgewächse, Röhrichte und Gräser jeglicher Art sind die beliebten
Brutstätten des riedeigenen Federviehs, von Stock-, Krick- und auch der
Reiherente, ebenso von Zwergtaucher, Bless- und Teichhuhn, von Rohrammer und
der Wasserralle. Doch die schienen heute in der Hitze einen unsichtbaren
Mittagsschlaf zu halten. Auch die Rohrweihe fühlt sich in den üppigen Schilfwäldern
dieses moorigen Biotops zu Hause. Selbst der tropisch bunte Eisvogel, den man
vom Namen her eher am Nordpol wähnt, hat hier im Ried nicht nur Gaststatus;
immer häufiger erledigt er in unmittelbarer Nähe zu Riedhagen sein Brutgeschäft
und lockt somit kamerabeladene Ornithologen an.
Auch Biberlieber kommen im Ried auf ihre Kosten, fern der
Wanderspuren
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