Gott sacker Kriminalroman
sich die Hand auf.
»Heiland Herrgott Sakrament, Scheiß Hagebutzen!«
Schwitzend erreichte er die junge Frau genau dort, wo er es
erwartet hatte. Er stellte die Schubkarre in der Wiese ab und bewegte sich
hinter den Hecken schnell auf die Frau zu.
Hoffentlich bemerkt sie mich nicht. Aber die krieg ich, die
krieg ich; keine Sorge, dir geschieht nichts, wenn du dich nicht wehrst.
Den Wolllappen hatte er zuvor schon kräftig getränkt, als er
sich von hinten an Cäcilia heranschlich und ihr den dicken Lappen ins Gesicht
drückte. Sie wehrte sich heftig und da er wusste, dass Chloroform auf einem
Lappen nicht wie in Filmen eine sofortige Bewusstlosigkeit, sondern eher einen
rauschartigen Zustand auslöst, schlug er einmal kräftig mit der bloßen Faust in
Cäcilias Genick, als diese sich heftig wehrte und versuchte, sich aus der
Umklammerung zu lösen. Ihre Beine zuckten noch einmal kurz spastisch, ein
tiefer, röchelnder Seufzer verließ ihren Mund.
Sekunden später lag sie in der Schubkarre. Der keuchende Mann
bemerkte die weißen Ohrhörer nicht, die vom iPod losgerissen waren und am
dunklen Haselnussstrauch baumelten.
Der Weg bergan war mühsam, manchmal dachte der Mann, er könne
es nicht schaffen. Immer wieder musste er die Karre drehen und ziehen, um über
Unebenheiten der Wiese hinwegzukommen. Die junge Frau sah so schlank und
gebrechlich aus, trotzdem wurde sie dem Mann schwerer und schwerer. Endlich sah
er seine Werkstatt. Der Schweiß lief ihm in Bächen von der Stirn, bildete
Tropfen an der Nase, die in schneller werdendem Rhythmus auf die Beine der
Entführten tropften, da er sich weit nach vorn beugen musste, um die Last die
letzten zähen Meter den Hang hinaufzuschieben. Es war auch an der Zeit. Die
schwarz gekleidete Frau im Karren stöhnte immer lauter.
Der Mann karrte seine kostbare Fracht, die allmählich zu sich
kam, eilig die letzten Meter auf dem schmalen glühenden Asphaltweg zu seinem
Schopf. Der flüssig gewordene, aromatische Teer sang schmatzend unter dem Rad.
Der vordere Teil des Gebäudes, in dem sich die Werkstatt
befand, bestand aus altem Kalksteingemäuer und besaß einen nachträglich
betonierten Boden. Der Mann schob eine große Holzkiste im hinteren Teil des
Raumes beiseite und öffnete eine schmale Bodenluke. Vorsichtig hob er die
bewusstlose Cäcilia aus der Schubkarre und ließ sie behutsam die steile
Holztreppe zum Kellerboden hinunter.
Unten hatte er den kleinen Raum schon
hergerichtet. Auf dem Naturboden lag eine Matratze mit einem sauberen
Spannbetttuch, darauf ein kariertes Kopfkissen. Ein Camping-WC stand in einer
Ecke. Die oben liegende schmale Fensterluke hatte er mit Brettern vernagelt und
mit Styropor und Fugenschaum abgedichtet. Von der Decke hing eine
40-Watt-Glühbirne ohne Fassung. Aus der unverputzten Wand unterhalb des
vernagelten Fensters ragte ein tropfender Wasserhahn aus einer Kupferleitung,
darunter stand ein halb gefüllter Zinkeimer.
Er musste sich beeilen, die junge Frau schien allmählich zu
sich zu kommen. Sie atmete heftig, stöhnte und schlug kraftlos mit den Armen um
sich, als er sie zur Matratze schleppte. Fast zärtlich bettete er sie auf das
Lager. Dann sah er ihr weißes Handy, das an den Gürtel des Rocks geklipst war.
»Herrgott Sakrament noch mal, das hätte ich beinahe
übersehen. Keine Angst, dir geschieht nichts, wahrscheinlich nichts«, flüsterte
er, als er die Tür hinter sich zuzog und zweimal abschloss.
Er staunte, wie klein Handys heutzutage waren. Er schloss die
Luke hinter sich, schob die Holzkiste darüber und setzte sich an die Werkbank.
Er öffnete die Schublade und legte Cäcilias Handy zur Bibel.
Es war genau richtig, dass ich so schnell gehandelt habe, sie
hat mich nämlich durchschaut. Mit den Fürbitten hat sie mich gewarnt. Aber
warum? Wenn sie sich ruhig verhält, wird ihr nichts geschehen. Es verhält sich
wie im Buch der Chronik, genau so verhält es sich. Ich kenne die Schrift, nicht
einmal die Herren Pfarrer kennen sie noch. Und wenn sie die Schrift kennen,
dann biegen sie sie so hin, wie sie sie gerade brauchen. Aber ich kenne die
wahre Bedeutung der Chronik: Der Herr schickt Propheten zu uns, um uns zur
Umkehr zu ihm zu bewegen, aber man hört nicht auf ihre Warnung.
Ich aber erkenne die Warnungen, sie ist eine Prophetin, die
Schöne im Keller, eine Prophetin, ohne es selbst zu ahnen. Es ist alles so
offensichtlich, es steht alles im Buch der Bücher.
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