Gott sacker Kriminalroman
ausgezeichnet zur
Geltung brachte, in der Menge der Trauernden und Schwitzenden. Lange schaute
ich hinter ihrem, meist aus der Menge herausragenden, wippenden Kopf her, sogar
noch, als sie längst nicht mehr zu erkennen war.
»Cäci! … Cääääci!«
Von wegen: ›Ich richte uns was Kühles her.‹ Und es roch auch
nicht nach dem charakteristischen Parfum von Senf, Gurken, Speck und
Rindfleisch einer Rindsroulade. Ich hatte mich so darauf gefreut – Hitze hin
oder her. Rindsrouladen zählten zu meinen Lieblingsspeisen.
Und bei Rindsrouladen ging ich auch keine Experimente ein:
Fleischlappen pfeffern und salzen. Mittelscharfen Senf darüber dünn
verstreichen. Dünne geräucherte Speckscheibe darauflegen. Hauchdünne
Zwiebelchen auf den Speck. Und jetzt das Wichtigste, die Essiggurke an den
Anfang der Roulade legen, einwickeln, fertig. Scharf anbraten. Mit einem nicht
zu bitteren Bier ablöschen. Lang kochen. Guten Appetit.
Cäci war nirgends zu sehen oder zu hören. Die Haustür war
verschlossen gewesen. Eigentlich hatte ich keine Lust auf den Leichenschmaus im
Goldenen Ochsen.
Ich entledigte mich meiner Festkleidung und machte mich
trotzdem zu Fuß auf den Weg. Wahrscheinlich musste Cäci in der Gaststätte
mithelfen oder sie lag schon am Baggersee. Als ich am Haus des Alt-Pfarrers
vorbeikam, wunderte ich mich über die vielen Autos, die immer noch davor
parkten.
Inzwischen war die Wohnung von der Polizei wieder
freigegeben worden, aber dass schon direkt nach der Beerdigung das große
Ausräumen begann, überraschte mich doch.
Schwitzend trug eine trauergekleidete Frau um die 35 das alte
Grundig-Röhrenradio mit dem Holzgehäuse und der Lautsprecher-Stoffbespannung
vom Anwesen des Alt-Pfarrers herunter. Hinter ihr lief ein älterer Herr, der
Anzüge über dem Arm hielt. Ihnen entgegen lief eine schimpfende
Mittsechzigerin: »Und Margots Schmuck, wo ist der? Den hat bestimmt schon die
Elfi mitgehen lassen.«
Ich hatte Margot vor ihrem Tod noch nie mit Schmuck gesehen,
und in den Sarg hatten sie ihn ihr bestimmt nicht gepackt.
Das Treiben war mir unangenehm und ich wich im Weitergehen
einem pickeligen Teenager aus, der scheppernd des Alt-Pfarrers Standuhr mit
Big-Ben-Schlag zu einem Auto mit geöffneter Heckklappe schleppte.
Wahrscheinlich musste Cäci in der Gaststätte
mithelfen. Da gingen heute garantiert 300 Stück Hefezopf zum Kaffee über den
Tresen und gegen Abend noch 200 Essen. Kartoffelsalat mit Schweinebraten und
Gurkensalat. Frieda hatte den Angehörigen ein gutes Angebot gemacht.
Nach dem Leichenschmaus würde dieser nichtkirchliche Teil der
Trauerfeier, wie so häufig, wenn ältere Menschen zu Grabe getragen worden
waren, in die übliche Sauferei ausarten.
Das Gedränge im Gastraum war unerträglich, alle Plätze im
Garten waren belegt. Die Fenster waren weit geöffnet, ein Durchziehen der Luft
war jedoch nicht zu bemerken. Trotz harter baden-württembergischer
Rauchverbotsgesetze stand der Qualm im Gastraum bis zur Decke und bewegte sich
nur zäh aus den Fenstern hinaus. Der alkoholisierte Bürgermeister hatte mit
einem Ausnahme-Stumpen angefangen. Trotz heftiger Nichtraucher-Proteste war
nach wenigen Minuten der Raum eine Räucherkammer. Frieda ließ ihre anfänglichen
Proteste und meinte nur trocken zum Bürgermeister: »Wir sehen uns noch!«
Selbst vor der Gaststätte standen Angehörige und Freunde der
Toten, aber auch Presseleute und Neugierige aus den Nachbargemeinden zwischen
den parkenden Autos herum. Der anfänglich geschlossene Biergarten – das hätte
den Ruch einer fröhlichen Party – wurde zuerst nicht, dann zögerlich und zum
Schluss intensiv genutzt. Watzlav war flinker und geschickter denn je. Er
kellnerte wie der Teufel. Keiner würde ohne Getränk den um den Parkplatz
erweiterten Außenbereich des Ochsen verlassen. Seine helle Kleidung
kontrastierte hervorragend zu der der Trauernden, und somit war er für jeden
gut zu erkennen.
In der allmählich lauter werdenden Menge konnte ich Cäci
nirgends finden. Erste kreischende Lacher übertönten das Gemurmel der Stimmen –
die Damen hatten schon das zweite Gläschen Sekt.
Noch einmal suchte ich nach Cäci, weder im Außenbereich noch
in ihrem Jugendzimmer konnte ich sie finden.
»Ich suche sie auch schon, jetzt brauche ich
doch jede Hand!«, schimpfte Frieda.
Ich machte mich nützlich, schnitt den Hefezopf in der Küche
auf und schenkte Kaffee aus.
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