Gott sacker Kriminalroman
Stofftaschentüchern über
Stirn und Glatze. Einige der Trauergäste waren noch einmal umgekehrt und hatten
sich Campingstühle aus ihren Häusern oder Autos geholt.
Die Sonne stand erbarmungslos am weißlich blauen Himmel,
der Schatten des Glockenturmes mit seinem Zwiebelende war die begehrteste
Stelle im Außenbereich. Die Gräber waren zur Beerdigung mit frischen Blumen
hergerichtet worden, was noch mehr Insekten bewog, von den Kuhfladen abzulassen
und zum Friedhof zu fliegen. Das Gesumme der fliegenden Tierchen und das
melancholische Gezirpe der Grillen verdichteten die morbide Stimmung.
In der Kirche war es ohne direkte Sonneneinstrahlung
erträglicher, obgleich das überdimensionale Quecksilberthermometer im Inneren
neben dem Eingang 29 Grad anzeigte.
Kalner hatte vorsorglich, um hitzebedingte Ohnmachtsanfälle
bekämpfen zu können, eine 0,5-Liter-Flasche Kölnisch Wasser und drei Flaschen
Mineralwasser in einer Kühlbox mitgebracht, die er in der Sakristei stationierte.
»Falls wieder eine umkippt«, zwinkerte er mir zu.
Die
Trauerfeier mit einer vorgezogenen Eucharistiefeier, weil die beiden
Verstorbenen aus dem kirchlichen Milieu stammten, war durch die Hitze
anstrengend, und ich konnte mir wieder nicht erklären, warum Gottesdienste, bei
denen viele Menschen anwesend sind, deutlich länger dauern als Gottesdienste,
bei denen ganz wenig Gläubige anwesend sind. Zur Kommunion gingen heute nur die
ersten beiden Reihen, in einem normalen Gottesdienst sind das oft sogar ein
paar mehr, die den Leib Christi empfangen wollen. Vielleicht wird bei vielen
Anwesenden langsamer gesungen?
Deodonatus war nicht langsamer als sonst und er sah mit
seiner schwarzen Augenklappe recht verwegen aus. Seine Predigt war gut, er
lobte die beiden Ermordeten als wichtige Gemeindeglieder, die sich mit aller
Kraft für den Glauben eingesetzt hätten. Er erwähnte allerdings auch in einem
Nebensatz die unterschiedlichen theologischen Ansätze zwischen dem ehemaligen
Pfarrer und dem neuen.
Das Schlusslied ›So nimm denn meine Hände‹ war der
Tränen-Hit. Wer bisher noch nicht geweint hatte, tat es jetzt. Auch ich
benötigte ganz kurz ein Taschentuch, nicht wegen Margot und Sütterle – sondern
wegen des Liedes.
Mit dem Hinausfahren der Särge in die Gluthitze hin zu den
beiden ausgehobenen Gräbern war mein Dienst beendet. Das Kondolieren an den
Gräbern konnte ich mir in meiner Position jedoch nicht ersparen.
Cäci hatte durch die Menschenmenge wie ein Magnet zu mir
gefunden und drückte mir die Hand. Zäh ging es zu den Gräbern voran.
Aus großer Distanz verfolgten wir die Beisetzung der beiden.
Durch die pfeifend rückkoppelnden Megafone konnten wir Deodonatus kaum
verstehen. Brauchten wir auch nicht, wir kannten das Ritual. Die eigentliche
Beisetzung mit ihren katholischen Bräuchen ging dann recht schnell vonstatten
und Deodonatus mit seinen Ministrantinnen verließ nun die Trauergemeinde. Zügig
liefen sie zur Sakristei, um sich umzuziehen.
Die abschließende Kondolenzprozedur vor den engsten
Angehörigen der Ermordeten konnte noch lange dauern, die Menschenschlange
schien wie fest zementiert, es ging keinen Zentimeter voran. Cäci drückte mir
kurz die Hand und flüsterte: »Das halte ich nicht mehr aus, ich gehe zu dir,
ich richte uns was Kühles her. Und Hunger habe ich auch, ich habe seit heute
Morgen nichts Rechtes mehr gehabt.«
»Ich habe noch Rindsrouladen im Gefrierfach – die kannst du
ja machen, darauf hätte ich richtig Appetit, hol bei deiner Mama noch ein paar
Spätzle«, raunte ich ihr ins Ohr.
»Mal sehen, das ist mir fast zu heftig in der Hitze.«
»Nimm auf jeden Fall mein Handy. Das läuft heute nicht nach
Plan, vielleicht musst du bedienen helfen oder gehst noch an den Baggersee.«
»Nein, das brauche ich nicht, das Monstrum«, sie streckte mir
mein blaues Kommunikationswunder wieder entgegen, »wir finden uns auf jeden
Fall.«
»Doch, nimm’s bitte mit, das drückt in meiner Hose, mit der
doofen Antenne.«
»Da kann ich ja gleich eine ganze Telefonzelle mit mir
herumschleppen.«
Sie nickte widerwillig und ließ mein blaues, antiquarisches
Handy, das in der Tasche der doch etwas zu engen Strapatex-Erbhose drückte, in
der Tiefe ihrer Rocktasche verschwinden. Dann steckte sie sich die weißen
Ohrhörer in ihre süßen Öhrchen und verschwand mit ihrem schwarzen Oberteil und
dem weiten, schwarzen, knielangen Rock, der ihre Figur
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