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Gott und die Staatlichen Eisenbahnen

Gott und die Staatlichen Eisenbahnen

Titel: Gott und die Staatlichen Eisenbahnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Ustinov
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sagte Giorgio. »Porca la miseria«, seufzte Pia. »Man kann der Post nicht mehr trauen. In Paris war die Uhr noch heil.«
    »Zannonelli sagt, es lohnt sich nicht, sie zu reparieren.«
    »So schlimm?« stöhnte Pia. »Madonna! Und deine?« lächelte sie Manlio an.
    »Meine? Die habe ich verloren.«
    »Verloren? Du lügst!« sagte Pia anklagend.
    Manlio zuckte gleichgültig mit den Schultern.
    Wütend packte ihn Pia an seinen nackten Armen und rüttelte ihn. »Wo ist die Uhr?« kreischte sie.
    »Ich habe sie verkauft«, sagte Manlio, halb entschuldigend.
    »Das Geld brauchte ich nötiger als die Uhr. Ich habe sie einem amerikanischen Seemann verkauft.«
    »Für wieviel?« flüsterte Pia gespannt.
    »Für tausend Lire.«
    Pia gab ihm eine Ohrfeige – so schallend, daß es nur eine Geste der Liebe sein konnte. »Mascalzone!« schrie sie ihn an.
    »Du hast weniger verlangt, als ich dafür bezahlt habe.«
    Manlio zuckte noch einmal die Schultern und räkelte sich in der Sonne.

Träumen von Papua
    Willard C. Holm war noch nicht lange Präsident. Es war ganz unerwartet gekommen, als habe das Schicksal einen riesigen Finger aus den Wolken herabgereckt und auf eine bestimmte Ameise im Ameisenhaufen gezeigt. Immer wenn so etwas passiert, erholt sich das Opfer erstaunlich schnell von seiner Überraschung und beginnt den Mantel der Amtsgewalt mit jener aggressiven Bescheidenheit zu tragen, die Vertrauen einflößt in Ländern, die sich ihrer Freiheit schmeicheln. Mr. Holm, wie er nun genannt wurde, oder Senator Holm, wie er hieß, bevor er die letzte Sprosse der Leiter erklommen hatte, war ein Mann von schlichten Vorlieben, der im Umgang mit seinen Mitmenschen eine listige und berechnende Klugheit erworben hatte. Instinktiv wußte er, daß seine Vorlieben nicht viel zählten, daß aber ihre Schlichtheit Respekt gebot. Durch das Fernsehen hatte der Wähler eine gewisse Raffiniertheit erlangt, und ein Politiker von allzu nüchterner Wesensart hätte vor den kritischen Linsen der Kameras leicht den Eindruck erweckt, als wolle er »frömmer als du« erscheinen. Folglich war Mr. Holm stets darauf bedacht, ausgiebig, aber mäßig mit harten Trinkern zu trinken, kräftig zu fluchen vor Liebhabern starker Flüche, jederzeit lauthals loszulachen in der Gesellschaft von Witzbolden und Komikern und sich in Gegenwart religiöser Würdenträger selbstverständlich feierlich zu geben. Er wirkte jung in der Begegnung mit Jugendlichen, demütig vor Hochbetagten mit reicher Lebenserfahrung und völlig vorurteilsfrei im Umgang mit Menschen anderer Rassen und Hautfarben. Er war schwedischer Abstammung, was gewisse Vorteile hatte: Es erinnerte an Sauberkeit, Ehrlichkeit, Unabhängigkeit. Auch deutete es an, er sei frei von gefährlichen Inspirationen, plötzlichen Geistesblitzen und einem Sinn für das Paradoxe – lauter Todsünden für jene, die die Geschicke der Menschen lenken. Daß er sein Leben als Zeitungsjunge in Minnesota begonnen hatte, war ein so glücklicher Start, wie ein Präsident ihn sich nur wünschen kann. Die Tatsache, daß er ein schlechter Schüler gewesen war – pressewirksam ausgewalzt von seinen Reklamefachleuten –, war dazu angetan, ihm die Liebe und Wertschätzung von Millionen anderer Bürger einzutragen, die diese unvergleichliche Tugend mit ihm teilten. Seine Eltern hatten nicht das Geld, ihn auf die Universität zu schicken, und er hatte nicht die Begabung, sich um ein Stipendium zu bewerben. Statt dessen bewarb er sich als Angestellter bei einer Füllfederhalterfabrik. Hier sicherte ihm seine nette Unauffälligkeit den Aufstieg vor unbequemeren Geistern. Er wurde zum professionellen Erfüllungsgehilfen – Anhänger aller Standpunkte fanden in ihm einen zurückhaltenden, aber aufmerksamen Verbündeten. Es war leicht, sich einem solchen Mann anzuvertrauen, denn er sprach wenig und schien stets bedacht auf Lösungen kniffliger Fragen. Der eine entscheidende Schritt, den er in diesen langen, bildenden Jahren tat, war ein sehr wichtiger für einen künftig erfolgreichen Politiker. Er heiratete seine Jugendliebe, Grace Line Collins. Daher war es beinah selbstverständlich, daß er in einer Zeit heftiger politischer Rivalität zwischen zwei profilierten und glanzvollen Konkurrenten als Kompromißkandidat für den Senat aufgestellt und im Triumph nach Washington entsandt wurde.
    Hier war er unermüdlich fleißig, und bald kannte er sich mit den Besonderheiten und Gepflogenheiten des Senats genauso gut aus wie einst in

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