Gott und die Staatlichen Eisenbahnen
der Füllfederhalterfabrik. Wieder einmal brachten ihn seine Aufmerksamkeit und Zurückhaltung in den Ruf eines ehrlichen und vertrauenswürdigen Maklers. Seine Abneigung, sich für eine Sache zu engagieren, verlieh ihm bald eine Aura von Macht, als sei er im Besitz irgendwelcher, nicht jedermann zugänglicher Kenntnisse, die auch die simpelsten Probleme geheimnisvoll und bedenklich erscheinen ließen.
Die Regierung Forsyth stand von Anfang an unter schlechten Sternen. Am Vorabend der Wahl erlag Senator Godfree, Kandidat für die Vizepräsidentschaft, einem Herzinfarkt. Die hektische Suche nach einem unumstrittenen und zuverlässigen Mitbewerber führte in letzter Sekunde zur Aufstellung Senator Holms. Präsident Forsyth, ein kraftvoller und dynamischer Mann, hatte keine hohe Meinung von Bill Holm, aber Bündnisse in der Chefetage sind keine Liebesheiraten. Es sind Versuche, die Mehrheit zufriedenzustellen. Forsyth war klug genug, um zu wissen, daß neben seiner profilierten, manchmal sprunghaften Persönlichkeit eine andere Qualität nötig war, um ihn vorteilhaft hervorzuheben. Das strahlende Bild brauchte einen unauffälligen Rahmen. Der große Finger vom Himmel war aber keineswegs fertig mit Bill Holm; noch lange nicht. Unterwegs zu einer Kundgebung der Demokratischen Frauen Union, krachte die Präsidentenmaschine – mit Austin C. Forsyth an Bord – gegen die Felswand eines Berges, und in einer Flut nationaler Trauer zog Bill Holm beinah unbemerkt in das Weiße Haus ein. Nach einer unvermeidlichen Anpassungsphase, in der Holm möglichst wenig tat und abwartete, bis die Wogen sich glätteten, entwickelte er plötzlich eine ganz andere Persönlichkeit als jene, für die er bekannt gewesen war. Mit einundsechzig ist es vielleicht etwas spät, um der Welt zu beweisen, daß man zum Führer berufen ist, besonders wenn man noch keine Zeit fand, es sich selbst zu beweisen. Aber Menschen verändern sich, sobald sie den Zwang verspüren, der Geschichte ihren Stempel aufzudrücken.
Der Spiegel im stillen Kämmerchen wird freundlicher – und kritischer in der Öffentlichkeit.
Ohne Vorankündigung holte Bill Holm einen Investmentbanker aus Denver, Morland C. Crust, in das State Department. Und er traf weitere, folgenreiche Personalentscheidungen. In einem Kabinett von lauter Unbekannten war Präsident Holm bald das bekannteste Gesicht. So weit, so gut. Die außenpolitische Lage war genauso chaotisch wie die Lage im Inneren. Dies hatte den unbestreitbaren Vorteil, daß man von der einen zur anderen springen und das eine Chaos als Nebelwerfer für das andere benutzen konnte. In Birma waren die Kommunisten aktiv, der Vietnamkrieg schleppte sich ins fünfundzwanzigste Jahr, Nordlaos hatte sich von Südlaos abgespalten, auch wenn Präsident Ming-Tu-Phot das Gegenteil behauptete. Mindestens fünfzehn Botschafter der USA waren Generale, abkommandiert ins Außenamt. Statistiker schätzten, daß die Militärs, bei solchen Zuwachsraten, binnen eines halben Jahrhunderts die Zahl der Geschäftsleute im diplomatischen Dienst überflügeln würden.
Die Welt war gelähmt durch Paktsysteme, die wie Unkraut wucherten und immer längere Bindestrich-Kettenwörter auf das Zeitungspapier streuten. Ihre Interessen überschnitten sich, ihre Funktionen waren undurchschaubar, ihre Rivalitäten nahmen überhand. Überall auf der Welt wünschten sich Männer in Uniform anderswohin – aber nichts schien so gefährlich wie ein Vakuum, selbst dort, wo ein Vakuum seit unvordenklichen Zeiten friedlich und ungestört existiert hatte.
Eines Abends rief Bill Holm seinen Think-Tank zusammen. General Rutledge B. Hooker sollte über die Lage in Nordlaos berichten. Ein großer Bildschirm an der Wand flammte auf, um den Präsidenten zu unterrichten, wo Nordlaos zu finden sei.
»Wir haben Nachricht von Ming-Tu-Phot, daß die Lage sich dort unten verschlechtert hat, Sir.«
»Finde den Namen nicht auf der Landkarte, Rut«, warf der Präsident ein.
»Nein, Sir. Ming-Tu-Phot ist der Name des Präsidenten – des dortigen Präsidenten, sozusagen –, des Präsidenten von Südlaos.«
Mr. Holm lächelte nicht. Er musterte die übrigen Experten mit drohendem Blick.
»Ich wünsche mir, Männer, wenn ihr an der Reihe seid, sollt ihr mir klar und deutlich erklären, ob wir’s mit einem Mann oder mit einem Land zu tun haben. Bei all diesen ausländischen Namen, verdammt, könnten wir uns eine Menge Zeit und Geduld sparen«, setzte er grimmig hinzu. »Bedaure,
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