Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gott und die Staatlichen Eisenbahnen

Gott und die Staatlichen Eisenbahnen

Titel: Gott und die Staatlichen Eisenbahnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Ustinov
Vom Netzwerk:
unser Verbündeter ist und daß eine diesbezügliche Verärgerung uns nicht blind machen darf für die Tatsache, daß der Kommunismus unser Feind Nummer eins ist. Nordlaos, Nordkorea, Nordbirma und Nordkambodscha sind reale Probleme, die morgen bereits zu einem Nordnepal, Nordafghanistan, Nordiran oder einer Nordtürkei führen könnten. Was die Franzosen betrifft, Sir, so gibt es wirksame Gegenmaßnahmen, die sich als Druckmittel gegen Freunde bewährt haben. Wir revanchierten uns bereits, als wir in unseren diplomatischen Vertretungen nur noch kalifornische Weine kredenzen ließen. Jetzt könnten wir unsere Gegenmaßnahmen auf die Textilindustrie ausdehnen, wir könnten Strafzölle auf französische Damenmoden erheben oder Frankreich dort treffen, wo es am meisten schmerzt – auf dem Gebiet der Kosmetika und Duftstoffe. Dies alles aber sind kleine Sticheleien. Unser Hauptproblem ist natürlich, wie wir die Eskalation steigern können, bei gleichzeitiger Herabsetzung der Kriegsgefahr. Ein Widerspruch in sich selbst, möchte man meinen, aber es gibt einflußreiche Kreise, die diese Auffassung nicht teilen. In Laos haben wir inzwischen Stufe zweiundzwanzig der Eskalation erreicht, in Vietnam Stufe siebenundzwanzig, in Kambodscha lediglich zwölf und in Birma irgend etwas zwischen acht und neun – «
    »Helfen Sie meinem Gedächtnis auf die Sprünge, Professor«, stöhnte der Präsident ermüdet auf. »Was sind diese Eskalationsstufen?«
    »Sch-tufe siebenundzwaaanzig ist der Aaangriff auf militääärische Ziele mit nukleaaaren Waaaffen«, sagte Professor Szasz mit seinem schleppenden osteuropäischen Akzent. »Sch-tufe zweiundzwaaanzig ist die nukleaaare Kriegserklääärung mit beschränkten Zielen. Sch-tufe zwölf ist konventioneller Krieg in erweitertem Maaaßstab. Sch-tufe neun ist die Konfrontatiooon bewaaaffneter Streitkräfte in erhöhter Alaaarmbereitschaft und ohne offene Feindseligkeiten.«
    »Kann mir das jemand bitte mal übersetzen?« Wieder klang gutmütiges Gelächter auf, in das Professor Szasz nicht einstimmte.
    »Nein, im Ernst«, fuhr der Präsident fort, als versuchte er, den Lapsus eines anderen rasch zu überspielen, »falls ich die Lage richtig einschätze, können wir die Dinge laufen lassen, wie sie seit fünfzehn Jahren laufen, und hoffen, daß unsere überlegenen Reserven den Widerstand des Gegners brechen werden. Oder wir können das Risiko einer weiteren Eskalation eingehen und gleichzeitig eine energische Friedensoffensive einleiten – eine Zangenbewegung im Herzen der kommunistischen Verschwörung.«
    »In ersterem Fall würde ich mich sicherer fühlen«, meinte der Außenminister beinah wehmütig. »Aber ich bin ja kein Soldat.«
    »Hören Sie auf, Morland. Schon damals, 1965, behaupteten bessere Köpfe als Sie oder ich, wir könnten so weitermachen in alle Ewigkeit. Können wir auch. Aber Zermürbung ist keine Politik; es ist der schwächere Weg.«
    »Es ist der sicherere Weg«, widersprach der Außenminister. »Wir haben uns an die Situation gewöhnt. Wir können mit ihr leben. Die Leute werfen kaum noch einen Blick auf die Titelseiten der Zeitungen. Sie blättern gleich weiter zu Comics und Sport. Und inzwischen behindern wir die Kommunisten in ihrer wirtschaftlichen Entwicklung: Unser industrielles Meer unterhöhlt ihren agrarischen Felsen.«
    »Das möchte ich nicht unterschreiben, Morland. So sehe ich die Sache nicht«, rief der Präsident, sein Blick starr vor Konzentration und Entschlossenheit, Die Regierungsperiode Holm sollte jedenfalls kein Fest sein für Rip van Winkles. »Barrett?«
    Barrett O’Hehir, der Verteidigungsminister, galt als Mann mit der seltenen Gabe, beinah alles zu verstehen: ein Familienvater und Unternehmensanwalt. Er hatte angenehme Umgangsformen, zwanglos und kultiviert. Er war jederzeit ansprechbar und besaß die beneidenswerte Fähigkeit, auch komplizierteste Probleme auf kristallklare Formeln zu vereinfachen. Der Präsident schätzte ihn und vertraute ihm. Neben ihm wirkte der Außenminister, zum Beispiel, beinah unaufrichtig – mit seinem unnötig eleganten Wortschatz und jener Art von Humor, über den niemand lachte. Kurz und gut, der Verteidigungsminister war kein Intellektueller. O’Hehir lächelte, bevor er antwortete. Bislang hatte er sich nicht an der Debatte beteiligt. Er hatte es vorgezogen, als Trumpf ins Spiel gebracht zu werden. Immer wenn der Präsident erschöpft war oder sich im Dickicht exakter Fakten verirrte, bellte er das eine

Weitere Kostenlose Bücher