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Gott und die Staatlichen Eisenbahnen

Gott und die Staatlichen Eisenbahnen

Titel: Gott und die Staatlichen Eisenbahnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Ustinov
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sinnlos gewesen, dich ein Leben lang an einen Mann wie Gyles Carchester-Fielding zu binden, selbst wenn es bedeutet hätte, eines Tages Lady Sparshot zu sein. Es hätte bedeutet, das Unglück herbeizubeschwören. Damit hättest du dich im tiefsten Winkel irgendeiner Grafschaft begraben, wo die Leute nichts anderes zu tun haben, als zu mutmaßen, wer mit wem schläft, und wo die gleichmäßigen Bewegungen der Pferde unter ihnen die müßigen Geister auf Kopulationsgedanken bringen. Die Ehe war eine Festung, aus der man Ausfälle in gefährlichere Gewässer wagen konnte, doch es war unbritisch und vor allem unviktorianisch, die Aufgaben von Ehemann und Liebhaber zu verwechseln.
    Gerade um solche Verwechslungen zu vermeiden, hatte die Architektur englischer Herrenhäuser so ein labyrinthisches, aller Logik spottendes Netzwerk von Korridoren hervorgebracht. Sie dachte an Bryan, mit seiner Schülerbrille und seinem leichten Hang zum Stottern. Mit exemplarischer Hartnäckigkeit hatte er sein Examen fürs Foreign Office bestanden, und schon kleidete er sich mit dem lächerlichen Ernst eines Botschafters im Embryonalzustand. Sein Kopf ragte empor wie eine Riesenlakritzpastille, bedeckt mit einer üppigen Schicht pomadisierten gelben Haars, mit unglaublicher Akkuratesse in der Mitte gescheitelt, so daß die weiße Linie seiner Kopfhaut feucht und sauber und gesund hervorschimmerte. Er trug bereits die leicht gebückte Haltung des wißbegierigen, freundlichen und hilfsbereiten älteren Herrn zur Schau, eine Augenbraue immer etwas höher gezogen als die andere, steter Ausdruck seines Eifers, offen zu sein für jeden Scherz und immer empfänglich zu sein für alle Bekundungen von guten Geschmacks. Sein Hang zu gesellschaftlichem Takt wurde unterstrichen durch eine nervöse Gewohnheit, bei einer Unterhaltung das Wort »ja« mit metronomischer Regelhaftigkeit zu wiederholen, während ein anderer sprach, bis eine negative Antwort angebracht war und das »Ja« plötzlich in ein verständnisvolles und mitfühlendes »Nein« umschlug, meist eine Bruchteilsekunde zu spät, um sein Gegenüber zu überzeugen, daß er wirklich zugehört hatte.
    Und dies war der Mann, dem sie ihre halb erwachte Weiblichkeit überantworten wollte, ein Mann, der auf dem Liebeslager zweifellos all jene Qualitäten des Takts und der Höflichkeit entfalten würde, die ihn zum geborenen Diplomaten machten.
    Ihre Träumerei wurde gestört durch das Eintreten ihrer Mutter, einer Dame, deren Gesicht an einen hie und da angeschlagenen Porzellanteller mit Blumenmuster erinnerte. Ihre Augen verschwanden beinah in den mit Makeup zugecremten Altersfältchen, ihre winzige Nase ragte hervor wie ein gekrümmter Finger, und Puder verstopfte die Poren, so daß ihr Gesicht in einem ungesund clowneskem Weiß leuchtete. »Was machst du da, Darling, in deinem Geburtstagskostüm?« forschte Mrs. Symington-Stobart.
    Angela lief nach einem Handtuch und hüllte sich darin ein. Aus unerklärlichem Grund genierte sie sich in Gegenwart desjenigen Menschen, der sie öfter unbekleidet gesehen hatte als jeder andere.
    »Nichts, Mutter«, antwortete sie, leicht gereizt. »Ist es nicht einfach aufregend?«
    »Nein, offengesagt nicht. Ich frage mich, ob ich nicht den dümmsten Fehler meines Lebens mache.«
    »Oh, das fragen wir uns alle am Tage vor unserer Hochzeit – allerdings ist es besser, du sagst es dir jetzt, als später.«
    »Du redest wie Bryan, Mammi«, murrte Angela. »Was willst du damit sagen?« fragte Mrs. Symington-Stobart, die einen Hang zu starken Betonungen hatte. »Als ich dies Abenteuer mit Gyles Carchester-Fielding hinter mir hatte – «
    »Oh, sprich nicht davon!«
    » – sagte Bryan genau dasselbe wie du – oder beinah: >Besser, du kriegst es jetzt aus dem Blut, altes Mädchen, als später, wenn wir verheiratet sind.<«
    Es war eine grausame Parodie auf ihren Verlobten, und Mrs. Symington-Stobart stieß einen Seufzer aus, aber das immerwährende bebende Lächeln kehrte rasch wieder, als Schutzwall gegen die schockierenden Wahrheiten des Lebens. »Wenn du so alt bist wie ich«, murmelte sie, »wirst du anfangen, etwas vom Wert der Dinge zu verstehen. Na, gute Nacht, mein liebstes Hochzeitskind. Ich bin nur gekommen, um dich zu küssen und um einen Plausch zu halten, falls du gewollt hättest. Das war alles.«
    Angela akzeptierte den Kuß mit steinerner Resignation, und da sie offensichtlich nicht zu einem Plausch aufgelegt war, ging ihre Mutter hinaus, mit einem

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