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Gott und die Staatlichen Eisenbahnen

Gott und die Staatlichen Eisenbahnen

Titel: Gott und die Staatlichen Eisenbahnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Ustinov
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nahm Zuflucht zu einer Miene schlichter Frömmigkeit, doch als ein paar jüngere Mitglieder der Gemeinde zu kichern anfingen, fühlte sie, wie ihre Beherrschung sie verließ. Es war eine Reaktion der Nerven. Ihr Zwerchfell pulsierte von selbst, und dagegen war sie machtlos. Sie fing an zu lachen. Der Geistliche, dessen Quell der Trostlosigkeit unerschöpflich war und der nur in den Pausen zwischen ihren Lachanfällen zu Wort kam, sowie das Bewußtsein der Erwartung machten die Sache für sie noch schlimmer. Als Bryan sich endlich mit dem Ring zu ihr umdrehte, glaubte sie, er würde ihr den Finger brechen. Beim zeremoniellen Kuß spürte sie die Glut seines Zorns in der Verspannung seiner Lippen.
    Endlich war die Zeremonie vorbei, aber der Welpe wußte das nicht. Er untermalte das trostlose Orgelspiel, während alle sich hinausbewegten, mit noch verzweifelterer Beharrlichkeit als zuvor. Der Empfang fand in einem der größeren, unpersönlichen Hotels statt, und hier konnte das Hündchen frei umherlaufen und in einem Wald von Beinen nach einem vertrauten Duft schnuppern. Manchmal blickte es mit einem Ausdruck tragischer Dankbarkeit auf, wenn eine freundliche Hand sich regte, um ihm den Kopf zu tätscheln, aber dann taumelte es wieder los – mit der unkoordinierten Tapsigkeit eines sehr jungen Geschöpfes – und verbellte den ganzen Saal mit unerträglich schrillen Lauten. Ein gewisses Unbehagen lag in Major Symington-Stobarts Stimme, als er die Telegramme verlas, auf die das Hündchen anscheinend allergisch reagierte, denn es begann zu heulen. Solcher Art ist der Masochismus der Briten, wenn sie mit dem Unglück geringerer Kreaturen konfrontiert werden, die ohne den Vorteil sprachlicher Verständigung zu leben gezwungen sind, daß alle Sympathien rasch dem unglücklichen Hündchen zuflossen und eine Atmosphäre der Feindseligkeit gegen jeden menschlichen Übergriff auf den Seelenfrieden des lieben Tierchens entstand.
    Als die Torte angeschnitten wurde, hätte es ebensogut die Hochzeit des Hundes sein können, tatsächlich schnappte er sich mit so schneller wie tückischer Bewegung das erste Stück vom Teller und zerfleischte es am Boden, als sei es etwas Lebendiges. Die Gäste fanden seine Gefräßigkeit einfach unwiderstehlich, während Angela aufschrie, als ihre Hand zwischen den Messergriff und den härteren, heißeren Griff von Bryans Hand geriet, die zornig auf die Torte niederfuhr. Die Reden und Toasts waren alle von jener Art, die Hochzeitsfeiern zu Bewährungsproben der wahren Liebe machen. Dr. Upstreet war, sofern überhaupt möglich, noch weniger inspiriert als Major Symington-Stobart. Im Gegensatz zu dessen endlosen Vorbehalten und Beteuerungen seiner Unzulänglichkeit bei Aufgaben dieser Art verströmte Dr. Upstreet eine Sicherheit, eine Kraft und Klarheit, die bei diesem heiteren Anlaß einfach unangebracht schienen. Er schwelgte ausführlich in Erinnerungen an die ersten kindlichen Symptome, die seine Frau und ihn zu dem Schluß führten, daß ihr einziger Sohn das Zeug zum Botschafter hätte. Eine Anekdote nach der anderen wurde zum Ergötzen der Versammlung vorgetragen, Anekdoten, die im Lauf der Zeit ihren Witz, ja sogar ihre Pointe verloren hatten – für jeden, mit Ausnahme des hingebungsvollen Biographen, der nun herzhaft lachte, und zwar allein, während er jede einzelne Erinnerung auskostete. Jetzt war es an Angela, ihrem frischgebackenen Gatten Blicke voller kühler Feindseligkeit zuzuwerfen, der seinen Vater während der endlosen halben Stunde dieser Ansprache mit Freuden hätte erwürgen können. Endlich kam für das junge Paar die Zeit zum Aufbruch. So liebenswürdig wie möglich winkten sie der Gesellschaft ein Lebewohl.
    »Sagen Sie mir, wie werden Sie den Hund nennen?« fragte eine Dame, die für eine Frauenzeitschrift über die Hochzeit berichtete. »Casanova«, antwortete Angela, ohne nachzudenken.
    Die Flitterwochen fanden in einem Hotel in Folkestone statt. Ins Ausland zu reisen kam nicht in Frage, denn Bryan arbeitete hart im Foreign Office und erwartete ohnehin, nach Übersee versetzt zu werden. Das Hotelpersonal sprudelte über von jener widerlichen Komplizenhaftigkeit, die Flitterwochen umgibt, voll Augenzwinkern und Lächeln und zuckersüßem Verständnis, auch wenn man sich reichlich bestürzt zeigte über die Ankunft des Hundes, weil Haustiere in diesem Hotel streng verboten waren, selbst an der Leine. Um aber keinen Schatten auf das rührende Bild intakter Illusionen fallen

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