Gott und die Staatlichen Eisenbahnen
noch tieferen Seufzer als üblich.
Mit Rücksicht auf ihre bevorstehende Hochzeit schlief Angela gut und traumlos.
Der nächste Morgen war in jeder Hinsicht abscheulich. Als erstes entwickelte sich ein großer, pochender Pickel auf ihrer Wange, an einer Stelle, wo weder Schmuck noch die geschickte Drapierung ihrer Frisur ihn verbergen konnten. Ihr Hochzeitskleid saß nicht mehr wie bei der Schneiderin. Zupfend und zerrend kniete Mrs. Symington-Stobart hinter ihrer Tochter, und das gelegentliche Erscheinen Major Symington-Stobarts, halb angekleidet und bereits mit dem widerwärtigen und humorlosen Grinsen eines Mannes auf dem Gesicht, dessen steifer Kragen eine halbe Nummer zu klein ist, trug nicht dazu bei, die Spannung im Hause zu mildern. Die jüngeren Brüder Oliver und Eric flitzen in Unterhosen umher, durchdrungen von einem respektlosen Verständnis für den Anlaß, der sie dazu verführte, zotige Witze auf Kosten ihrer Schwester zu reißen, die sich allmählich wie ein zum Opfer bereitetes Mastkalb fühlte.
Als die Hochzeitsgesellschaft an der Kirche vorfuhr, war die Stimmung gereizt, und mit wahrem Entsetzen bemerkte Angela, daß ein kleiner italienischer Sportwagen direkt vor ihnen parkte. Verstohlen überblickte sie das Spalier romantischer alter Jungfern und sentimentaler Hausfrauen, die bei Hochzeiten mit der gleichen klinischen Aufmerksamkeit umherschweben, die ausgeglichenere Naturen für Verkehrsunfälle aufbringen.
»Kuckuck!« rief Gyles Carchester-Fielding und umfing seine Beute in der Taille.
Die Symington-Stobarts musterten den Eindringling mit Unbehagen, und Angela, jungfräulich wie eine frisch vom Stapel gelaufene Yacht vor ihrem Verderber, sagte: »Was machst du hier?«
»Ich kann nicht zum Gottesdienst bleiben, ach, leider«, murmelte Gyles in seiner besten Verführermanier, seine Augen sprudelnd vor Bosheit. »Bin ohnehin keine Zier für ‘ne Kirche – und Paps ist zurück aus Howth – hat ‘ne neue Puppe in der Stadt – aber dies hier, das hab’ ich dir mitgebracht – « Er schlug den Mantel auf und zog einen riesigen Hundewelpen von unbestimmbarer Rasse hervor. Gegen ihren Willen mußte Angela lächeln, und die sentimentalen Ladys gurrten vor Entzücken.
»Oh, wie allerliebst!« rief sie. »Ist es ein Er oder eine Sie?«
»Nie im Leben würde ich dir eine Sie schenken«, sagte Gyles. »Es ist eine Rasse, die Paps zu züchten versucht, er nennt sie Leominster-Bluthunde. Sie sind sehr selten. So selten wie du. Da hast du ihn, mit all meiner Liebe.« Er sprang zu seinem Auto und fuhr davon.
Rasch wurde Rat gehalten, was mit dem unerwarteten Hochzeitsgeschenk zu geschehen habe. Bruder Oliver fand sich bereit, das Tier in die Kirche zu schmuggeln, sich nah an den Ausgang zu setzen und es beim ersten Zeichen von Unruhe hinauszuschaffen. Der Major war zu unsicher, um Einwände zu machen, obwohl er irgend etwas von »armseligem Theater« zischte, und Mrs. Symington-Stobart fragte ganz offenherzig, ob »dieser flotte Lothario« nicht schon genug Schaden angerichtet hätte. »Mutter, bitte!«
Der Geistliche schaffte es in seiner Ansprache, eine Ahnung davon zu vermitteln, daß die Ehe ein drückendes Joch sei, ein Zustand ungedankter Selbstaufopferung, ein ständiges Schlucken bitterer Medizin, beendet erst durch die Trennung im Tode, was sich auf Grund seiner klagenden Stimme anhörte wie die segensreiche Erlösung vom eintönigen Epos mißverstandener Gesten und bruchstückhafter Freuden. Der erste und einzige, der gegen diese düsteren Prophezeiungen protestierte, war der Hund, der mit einem tiefen, seinen Jahren weit vorgreifenden dantesken Baß zu heulen anfing. Die Leute schauten sich mit empörter Belustigung um, während sich die steinernen Augen des Geistlichen mit Tränen füllten. Oliver, der erkannte, daß der Hund noch nicht das Alter der Selbstbeherrschung erreicht hatte, brachte ihn schleunigst aus der Kirche. Aber diese Rasse war von Lord Sparshot für waidmännische Sportarten gezüchtet worden, und jetzt gab das arme, entwurzelte Tier seinem Unglück mit voller Stimme Ausdruck, da die widersprüchlichen und verwirrenden Düfte der Straße ihn in der Nase zu kitzeln begannen. Oliver konnte nicht abschätzen, ob das Geheul in der Kirche zu hören sei, doch es schien unwahrscheinlich. Er war im Irrtum. Bryan wurde immer erregter und warf Angela strenge Seitenblicke zu, die zu verstehen gaben, daß sie für diese Verhöhnung seiner Hochzeit verantwortlich sei. Angela
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