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Gott und die Staatlichen Eisenbahnen

Gott und die Staatlichen Eisenbahnen

Titel: Gott und die Staatlichen Eisenbahnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Ustinov
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zu lassen, gab die Hotelverwaltung in diesem Punkt nach.
    »Achten Sie aber darauf, daß das Kerlchen sich möglichst ruhig verhält«, flehte der Empfangschef. »Sonst wollen demnächst auch andere Gäste ihre Lieblinge mitbringen.«
    »Das würde man einen Präzedenzfall nennen«, sagte Bryan mit einem pedantischen kleinen Kichern. »Absolut richtig, Sir«, schnarrte der Portier, der eine Autoritätsperson erkannte, sobald er sie sah. Angela fragte sich, was sie eigentlich in ihrem Mann gesehen hatte. Ihre Gedanken bewegten sich weiter in diese Richtung, und als sich die Tür hinter ihnen und ihrem ersehnten Alleinsein schloß, versäumten sie es, einander in die Arme zu sinken. Sie setzte sich vor ihren Toilettenspiegel und betrachtete ihr müdes Gesicht und den pochenden Pickel auf der Wange. In ihrer Beziehung zu Spiegeln lag ganz allgemein etwas Ungesundes. Sie schienen für sie Ratgeber zu sein, und wie stets war der Rat, den sie gaben, bestechlich, parteiisch und unmoralisch. Sie sah Bryan im Hintergrund auf und ab gehen, der so tat, als sei er mit diesem und jenem beschäftigt. Er polierte seine schlechte Laune auf. Die Fahrt in der gemieteten Luxuskarosse hatte man praktisch schweigend hinter sich gebracht, abgesehen von einer kurzen Debatte, ob das Fenster geschlossen oder leicht geöffnet bleiben sollte, ein Höhepunkt dieser ersten Begegnung der Herzen, die so lange vorhalten sollte wie das Leben selbst. Plötzlich spürte Angela eine feuchte Nase an ihrem Knie, und sie richtete all ihre frustrierte Liebe auf Casanova, dessen unstete rötliche Augen hysterisch zwischen Dankbarkeit und dem Verlangen nach mehr und immer mehr Liebe schwankten. Bryan empfand einen Stich der Eifersucht, die wuchs, ganz gleich, wie energisch er sich ermahnte, sich nicht lächerlich zu machen. Schließlich versuchte er, ihr die Liebe des Hundes abspenstig zu machen, indem er am anderen Ende des Zimmers in die Hocke ging und sich bemühte, verspielt dreinzuschauen.
    Der rauhe Adelsmann hatte Casanova jedoch so gezüchtet, daß er nur einen Herrn anerkannte, und die Tatsache, daß er Angela in den Arm gelegt worden war, galt ihm als mehr als ein Zeichen. Auf beschämende Weise ignorierte er Bryan, der weiter auf seinen Knien herumrutschte und leise Hundelaute ausstieß. Leise, weil Bryan ein großer Ordnungsfreund war und die Ermahnung der Hotelleitung für ihn bereits Gesetz geworden war. Casanova warf ihm mißtrauische Blicke zu, dann bellte er plötzlich – ein mächtiges Bellen aus archaischer Zeit – und stürzte sich auf Bryan.
    »Er hat mich gebissen!« Bryan richtete sich zu voller Größe auf, und seine Würde umhüllte ihn wie eine Pelerine. »Oh, Schatz, es ist doch nur ein Hündchen«, schrie Angela. »Schau, bis aufs Blut!«
    »Komm, ich küss’ es dir weg.«
    Auf dem Weg zu ihrem Gatten blieb Angela stehen, um Casanova ein paar präzise Schläge auf seine Schnauze zu geben. Casanova zuckte zusammen und blickte sie voll Verehrung an.
    Sie küßte Bryans Finger, und dann küßten sie sich auf den Mund. Der Hund, empört über den Anblick solcher Harmonie, fing an zu kläffen.
    »Still!« kommandierte Angela, und Casanova fiel wie ein kleiner Sack zu Boden.
    »Ich werde nach Jod klingeln«, sagte Bryan. »Das verdammte Vieh hat wahrscheinlich Tollwut.«
    Sie speisten auf ihrem Zimmer, denn immer, wenn sie hinausgehen wollten, um sich in den Speisesaal zu begeben, fing Casanova an zu heulen. Pflichtgerecht prosteten sie sich mit Champagner zu, und als es Zeit wurde, zu Bett zu gehen, entkleideten sie sich, als gelte es, in den Badeanzug zu schlüpfen. Bewußt hatte Angela Bryan noch nie ohne Brille gesehen, und er sah ganz anders aus. Zum erstenmal glichen seine Züge denen seiner Eltern, und sie hatte eine störende Vision von all den Verwandten, die im Geiste ihr Hochzeitsbett teilen würden. Seine Unterwäsche war nicht von modernster Art. Sie war von babyblauseidener Diskretion, die mehr über seine Geisteshaltung als über seinen Körper verriet. Sein Pyjama war gestreift, rot und schwarz, und ihr schien es, als hülle er sich sogar für die Nacht in die Loyalität zu seinem Club. Sie bürstete sich ihr Haar, so daß es in jungfräulicher Fülle und Schlichtheit über ihre Schultern fiel, und schlüpfte diskret in einen durchsichtigen Traum aus Lavendel und Spitzen, verziert mit kleinen Unschuldsschleifchen. Ein Zischen erregte ihre Aufmerksamkeit, und sie drehte sich um, rechtzeitig, um zu sehen, wie Bryan ein

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