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Gott und die Staatlichen Eisenbahnen

Gott und die Staatlichen Eisenbahnen

Titel: Gott und die Staatlichen Eisenbahnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Ustinov
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für eine weibliche Sprechstimme, eine durch Schwachstrom absichtlich verzerrte Elektrogitarre, Käseraspel, Kastagnetten und vier Peitschen unterschiedlicher Größe. Die einzige Aufführung des Werks war ein Desaster, denn Mizzi konnte, kaum hatte sie Publikum vor sich, nie der Versuchung widerstehen, den allereinschmeichelndsten Ausdruck auf ihr Gesicht zu zaubern, und folglich geriet dieser eindringliche Vorstoß in die finsteren Abgründe des menschlichen Unterbewußtseins lediglich komisch – die Selbstverspottung irgendeines Avantgarde-Kabaretts. Je mehr das Publikum kicherte, desto verlegener wurde Mizzi, und kurz darauf nahm sich Dr. von Lich das Leben und hinterließ nichts als einen rätselhaften Brief in Latein.
    Mizzi, wieder einmal in den Fängen eines köstlich tragischen Schuldgefühls, rief Lajos nach Wien. Sie sagte ihm, sie sei verzweifelt einsam, ein Gefühl, das sie stets hatte, wenn ein Verhältnis gerade zu Ende war und bevor sie Zeit gefunden hatte, ein anderes einzugehen. Der leidgewohnte Lajos blickte ihr tief in die Augen und sagte zu ihr: »Mizzi, eines Tages wirst du meinen Wert erkennen. Du lächelst jetzt, weil du lieb bist. Aber eines Tages wird niemand mehr dasein – die Fürsten, die Komponisten, die Tenöre, sie alle werden verschwunden sein. Dann wirst du im Kessel der Erinnerung rühren und jemanden suchen, dem du dich zuwenden kannst. Plötzlich wird dein Gesicht aufleuchten, du wirst meinen Namen rufen, und es wird für immer sein.«
    »Es ist jetzt schon für immer«, sagte sie, ihre Augen groß und unschuldig, als sei sie unerklärlicherweise mißverstanden worden.
    »Ich glaube dir«, log er, und Tränen der Rührung standen ihm in den Augen, »und ich werde bei dir bleiben, die kleine Klasse aufgeben, die ich in Budapest aufgebaut habe.«
    »Klasse? Welche Klasse?« Sie wurde kokett. »Ich habe eigentlich nie gewußt, was du in deiner freien Zeit machst. Ich war absurd eifersüchtig. Was für eine Klasse?«
    »Klavier und Theorie.«
    »Wie interessant.«
    »Du meinst es nicht ernst.«
    Mizzi funkelte. »Morgen werd’ ich dir zeigen, wie ernst ich es meine. Wir werden zusammen nach dem Theater im Sacher essen, und wir werden Pläne machen, große Pläne, wie wir es in alten Zeiten taten.«
    Als Lajos im Restaurant eintraf, sah er, daß Mizzi mit einem älteren Herrn dinierte. Er zog sich verwirrt ins Foyer zurück und schrieb ein Briefchen, das sie an ihre Verabredung erinnern sollte. Nervös gab er es dem Kellner und setzte sich, um die weiteren Entwicklungen abzuwarten. Nach einer scheinbaren Ewigkeit kehrte der Kellner mit einer Karte zurück, auf der geschrieben stand:
    Liebster Freund, ich habe dich überall zu erreichen versucht. Vergebens. Nicht heute abend, mein Lajos, nicht diese Woche. Ich bin mit Mr. Nate Schiffnick aus New York zusammen. Könnte höchst wichtig sein für uns beide.
    Deine kleine Gans Mizzi
    Lajos verließ das Café mit krankem Herzen. Liebe im Zigeunerwagen ging in New York Ende 1931 über die Bretter, herausgebracht von Wyant und Schiffnick, und in den Hauptrollen Mizzi und Diego de la Luna, ein Stummfilmdarsteller, der zum Musical gefunden hatte, als man entdeckte, daß seine Sprechstimme unmöglich hoch lag für die Schurkenrollen, auf die er festgelegt war, während seine himmelhohe Singstimme ihn zur idealen Besetzung für die Rolle des Fürsten am Broadway machte. Bis der heldenmütige Lajos auf dem Weg über die ungarische Einwanderungsquote in die Vereinigten Staaten gelangte, hatte Mizzi nicht nur in der Operette Triumphe gefeiert, sondern auch ihre Affäre mit Diego de la Luna hinter sich gebracht. In ihrem Austausch der Leidenschaften hatte er spanisch gemurmelt, während sie auf ungarisch kreischte, weil ihrer beider Englischkenntnisse für einen Gedankenaustausch nicht ausreichten.
    Lajos kam an seinem ersten Abend in Amerika ins Theater, wo man ihm sagte, daß Miss Mizzi Somlos keine Besuche empfangen könne. Als er an der Theaterkasse eine Karte zu kaufen versuchte, sagte man ihm, daß es keine gäbe, und wenn es welche gäbe, wären sie sündhaft teuer. Bar aller Bestechungsmittel, lungerte er bis zum Schluß der Vorstellung jämmerlich um das Gebäude herum und stellte sich dann vor den Bühneneingang, zusammen mit ein paar neurotischen Autogrammjägern, die starre, schwachsinnige Augen hatten und Selbstgespräche führten.
    Einer nach dem anderen tauchten die anderen Schauspieler auf, dazwischen Orchestermitglieder, die ihre

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