Gott und die Staatlichen Eisenbahnen
Instrumente trugen. Endlich kam Mizzi heraus, in teurem Zobel ertrinkend und in Parfumnebel getaucht, am Arm des ältlichen, bleichen Mr. Schiffnick, der einen Frack trug. Eine Sekunde lang trafen sich Mizzis und Lajos’ Augen, und sie schaute rasch weg, eher verärgert denn überrascht, und bückte sich, um in die Limousine einzusteigen, die sie und ihren kahlköpfigen Zauberprinzen in einen vergnügten Abend entführen sollte.
Gleich am nächsten Tag und mit einem kleinen Empfang für ein paar hundert Gäste heirateten Mizzi und Nate Schiffnick auf dem Dachgarten eines eleganten Hotels. Alles war arrangiert mit erlesenem Geschmack und jener lobenswerten Zurückhaltung, die alle künstlerischen Unternehmungen Mr. Schiffnicks kennzeichnete. Eine Orgel wurde von einer Dame gespielt, die Zylinder und Frack trug, doch sonst fast gar nichts. Die Lichter in der Orgel wechselten je nach Stimmungslage der Liturgie ihre Farben. Eine Torte in Mizzis Gestalt wurde hereingerollt und von Mr. Schiffnick angeschnitten, der sich bei jedem Messerschnitt lüsterne, aber freundliche Bemerkungen gegenüber seinen vielen Bekannten erlaubte.
Diesen Abend stand Lajos wieder am Bühneneingang, und es gelang ihm, das Wort »Mizzi« zu rufen, als sie auf dem Bürgersteig auftauchte. Diesmal ignorierte sie ihn nicht. Mit größter Kälte und Verärgerung sah sie ihn an. »Du verstehst nichts. Gar nichts«, sagte sie.
Lajos zitterte vor Wut, wie er sie noch nie empfunden hatte. »Ich verstehe, und du nicht!« schrie er. »Das Leben ist keine Operette. Man kann es nicht leben, als ob’s eine wäre!«
»Belästigt dich dieser Mann, Schatz?« fragte Mr. Schiffnick.
»Ja.«
»Burger!«
Der Bühnenportier tauchte auf und machte eine drohende Bemerkung.
»Vergiß nicht«, rief der zurückweichende Lajos, »du wirst mehr leiden als ich. Lebe wohl, für immer!« Zwei Wochen später, in direkter Folge seines schonungslosen Versuchs, das Leben eines viel jüngeren Mannes zu führen, verstarb Mr. Schiffnick. Sein Begräbnis, in Szene gesetzt von Mr. Wyant, seinem ehemaligen Partner, war ebenso majestätisch, wie seine Hochzeit intim gewesen war. Seine größten Hits wurden von einem gigantischen Orchester während des Gottesdienstes gespielt. Mr. Wyant erwies seinem alten Kompagnon alle Ehre. Als aber das Testament verlesen wurde, entdeckte man zur allgemeinen Überraschung und zu Mizzis Entsetzen, daß er nichts als Schulden hinterlassen hatte. Schiffnick war ein Verschwender gewesen, ein Mann, fasziniert von einem gefährlichen Leben im Jetzt und Hier, und auch ein wenig ein Gauner. Die ihm Nahestehenden waren sich alle einig, daß er gerade rechtzeitig gestorben sei, um der massiven Vergeltung zu entgehen, die sich im Lauf der Jahre zusammengebraut hatte, um ihn einst zu ereilen. Manche nannten ihn nach seinem Tod sogar den »Glücklichen Nate Schiffnick«.
Mizzi kleidete sich von Kopf bis Fuß in Schwarz und weinte tüchtig, wie um sich selbst zu überzeugen, daß ihre Ehe mit diesem Mann, der im Leben wie im Tod wie aus vergilbtem Elfenbein geschnitzt ausgesehen hatte, die Folge wahrer Liebe gewesen sei. Auch wenn sie es nie eingestand, dachte sie stets an den Tod ihres Vaters, wenn Tränen gefragt waren. Die Leute argwöhnten, sie sei im Leben eine bessere Schauspielerin als auf der Bühne.
Der erste Erfolgsrausch begann zu verfliegen, und bald schleppte sich Liebe im Zigeunerwagen nah am Rand des Verlustes dahin. Die Budapester Zeitungen, die Mizzis Bruder ihr schickte, sprachen von ihrem großen Erfolg in der Neuen Welt. Bald verfing sie sich zwischen Realität und Legende. Es war ihr unmöglich, jetzt noch zurückzukehren. Nachdem die New Yorker Spielzeit zu Ende war, tingelte sie auf Tournee und molk die Kuh alter Erfolge, bis das Letzte herausgeholt war. Sie trug immer noch Trauer – aus Ehrerbietung für den Mann, den sie kaum gekannt hatte.
Sie belagerte die Büros der Agenten, aber Zigeunermädchen waren nicht mehr gefragt, und ihre Beherrschung des Englischen blieb hartnäckig unverbessert. Das Geld wurde knapp, und ihre Liebe zu Gulasch und Sachertorte begann ihren Tribut zu fordern. Sie wurde rundlicher, stämmiger. Männer fielen ihr nicht mehr zu Füßen. Sie fiel ihnen zu Füßen und verschreckte sie durch ihre lebhafte Entschlossenheit, ihre schrillen Lachkaskaden, ihr schwülstiges Gerede von schicksalhafter Liebe – alles Nachahmungen von Techniken der Verführung, die Mata Hari als veraltet abgelehnt hätte. Sie
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