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Gott wuerfelt doch 1

Gott wuerfelt doch 1

Titel: Gott wuerfelt doch 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lutz Kreutzer
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Menschen
experimentiert hat.“ Dimitrios sah auf. „Das war der Anlass, warum ich mich
abgesetzt und mit meinem Regime gebrochen habe. Ich war persönlich zutiefst
verletzt und in meinem Glauben an den Sozialismus erschüttert.“
    „Wieso
persönlich?“, fragte ich.
    „Er ist Jude“, gab
Konrad zur Antwort.
    Ich entdeckte in
Dimitrios’ hart blickenden Augen einen feuchten Schimmer. „Sie haben mich
betrogen. Ich habe daran geglaubt, dass ihr System das gerechtere wäre, und
musste feststellen, dass sie mich ausgenutzt haben. Es gab einst einen Grund
für mich, die ganze Sache durchzuziehen. Meine Eltern sind beide in Auschwitz
ums Leben gekommen. Die Chance, über euch beide an diese Aufzeichnungen
heranzukommen, endlich Mengeles Machenschaften ans Tageslicht zu befördern, und
der Welt die letzten Beweise zu liefern, hat mich blind gemacht.“
    „Was meinst du
damit?“, fragte Konrad scharf.
    Dimitrios rutschte
nervös auf seinem Stuhl umher. „Ich war es, der eure Trennung veranlasst hat.
Ich habe damals dafür gesorgt und Böhler, dem Arzt, nach eurer Entbindung
grünes Licht für diese teuflische Idee gegeben.“
    Wir schwiegen.
Konrad erhob sich schließlich und ging hinaus, ich folgte ihm. Er stand vor der
Tür und rang um Luft. Als ich zu ihm treten wollte, hob er abwehrend die Hände.
„Lass mich“, presste er hervor, ging ein paar Schritte, stützte sich an eine
weiße Mauer und übergab sich.
    „Konrad, es ist
unerträglich und zum Kotzen“, sagte ich, weil mir nichts Besseres einfiel, aber
ich glaubte, ich müsste irgendetwas sagen.
    Er nickte und
blickte zu Boden. „Er war das also.“
    Ich bemerkte, wie
sich sein Gesicht voller Traurigkeit in eine groteske Maske verwandelte.
    Dimitrios kam zu
uns heraus mit einem Plastikeimer voll Wasser und goss das Wasser vollkommen
beiläufig über Konrads Auswurf, als sei nichts geschehen. Dann lehnte er sich
gegen ein Haus, Konrad genau gegenüber. Der stierte weiter auf den Boden. Nach
langen Momenten brach Dimitrios das Schweigen: „Was ich gemacht habe, war
falsch, und es tut mir aufrichtig Leid. Aber ich sah damals keine andere
Möglichkeit. Konrad, das hat nichts mit unser beider Verhältnis zu tun, bitte
glaube mir! Dass ich dich gerne habe wie ein Vater seinen Sohn, ist wahr. Daran
kann niemand und nichts etwas ändern. Dies war einer der Gründe dafür, warum
ich aufgehört und mich abgesetzt habe.“
    Konrad sah ihn
eisig an, ging auf ihn zu und schlug ihm mitten ins Gesicht; dann wandte er
sich um und ging fort. Er hielt inne, kam zurück und fragte Dimitrios,
äußerlich völlig ruhig: „Was war der eigentliche Grund dafür, dass ihr uns
getrennt habt? Was hat unser Vater damit zu tun?“
    Dimitrios rieb sein
Kinn und zögerte. Konrad packte ihn am Hemd und schrie: „Sag was, du verdammtes
Schwein!“ Dimitrios sah ihm tief in die Augen, und sofort ließ Konrad los. Er
stob mit großen Schritten die enge Gasse hinab, bis er das Dorf verlassen
hatte. Ich eilte ihm hinterher. Nach einer Weile hielt er an der schneeweiß
getünchten Kapelle inne, die wir auf der Herfahrt gesehen hatten. Dimitrios kam
langsam die Straße entlang und setzte sich auf eine der Stufen.
    „Eure Mutter hat im
Laufe ihrer Zeit in Wien Kontakte zu ehemaligen Mengele-Zwillingen gesucht. Die
meisten von ihnen leben mittlerweile in Israel, aber auch in anderen Ländern.
Sie offenbarte eurem Vater von Beginn ihrer Freundschaft an ihre Vergangenheit.
Es scheint ihn tief bewegt zu haben, denn nach allem, was wir erfahren haben,
hat er eure Mutter immer sehr geliebt. Die ehemaligen Mengele-Zwillinge
gründeten so etwas wie einen Verband, der sich zum Ziel setzte, alles Material
zusammenzutragen, das es über Mengele und seine Machenschaften gibt. Sie
wollten mit ihrer Geschichte an die Weltöffentlichkeit. Euer Vater versprach
seiner Frau, sie dabei zu unterstützen, wo er nur konnte. Das war sicherlich
ein Grund dafür, warum eure Eltern so viel gereist sind. Sie trafen sich oft
mit ehemaligen Leidensgenossen eurer Mutter.“ Er machte eine kurze Pause.
    „Es kann sein, dass
euer Vater weiß, wo sich diese Unterlagen und Präparate befinden. Die ganze
Welt jagt den Mengele-Nachlass, und euer Vater besitzt vielleicht den
Schlüssel. Nur frage ich mich, warum er - wenn er etwas weiß - bisher
geschwiegen hat.“ Dimitrios schüttelte leicht den Kopf, rupfte ein paar Halme
halbtrockenes und bräunliches Gras aus einer Steinfuge heraus, drehte es zu
einem Knäuel, warf

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