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Gott wuerfelt doch 1

Gott wuerfelt doch 1

Titel: Gott wuerfelt doch 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lutz Kreutzer
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sein, meinen Vater
ungeprüft zu entlasten; so schwer mir auch diese Einsicht fiel, ich durfte sie
nicht verdrängen, denn Vertrauen schien mir von diesem Tag an nur noch wertvoll
zu sein, solange es nicht erschüttert wurde. Und in diesem Moment drohte das
Bild zu wanken, das ich von meinem Vater hatte.
    Mir wurde
schlagartig klar, dass nur ich feststellen konnte, welche der drei Varianten,
die Dimitrios gerade dargestellt hatte, die richtige war. Aber wie? Oder war
Konrad doch der Geeignetere, diese Frage zu lösen?
    Damals habe ich nicht geahnt, dass sich alles ganz anders
entwickeln würde. Ich frage mich heute, ob ich es hätte vereiteln können. Doch
alles sollte so plötzlich kommen, und die Katastrophe unserer unseligen Paarung
hatte gerade erst begonnen.
    Es kommt mir nun,
da ich schreibe, wie die Potenzierung eines Unglücks vor: Je mehr ich Klarheit
schöpfe aus der Vergangenheit, desto mehr erkenne ich, das Unglück, das uns
härter und härter traf, hatte etwas Wesenhaftes. An eine Vorbestimmung im Leben
habe ich nie geglaubt, doch jetzt bin ich unsicher geworden.
    *
    Seit unserer
Abreise am Morgen vom Hotel war Konrad merkwürdig sprechfaul. Auf unsere
alberne Verkleidung wollte er ab jetzt verzichten. Es schien ihm aus
irgendeinem Grund nicht mehr so wichtig zu sein, als Zwillinge unerkannt zu
bleiben. Mir kam es sogar vor, dass er mir möglichst ähnlich sehen wollte; er
hatte sich die Haare gekämmt, wie ich sie trug, und war ebenfalls glatt
rasiert. Als ich ihn deshalb verwundert ansah, lächelte er mir kurz zu.
    Wir saßen jetzt
nebeneinander im Flugzeug und flogen in Richtung Süden. Konrad hatte für uns
Plätze in einer DC 10 der spanischen Gesellschaft Centennial gebucht, die uns
nach Deutschland zurückbringen sollte. Sie würde zuvor in Kreta zwischenlanden,
so hatte Konrad mir kurz erklärt, um weitere Passagiere an Bord zu nehmen.
    Das Flugzeug
näherte sich, nur zu einem Drittel besetzt, der größten aller griechischen
Inseln, die von oben einem umgekippten Tyrannosaurus Rex ähnlich sah.
Ich blickte aus dem Fenster und erkannte unter uns Iráklion, Kretas Hauptstadt.
    Die Maschine legte
sich nach rechts und schwenkte jetzt Richtung Westen. Wir flogen die Nordküste
entlang; kurze Zeit später ließ der Pilot die Landeklappen ausfahren und
leitete den Anflug ein. Nach einer weiten Schleife stellte er die Klappen noch
stärker an, sodass sie nach unten wiesen, als wollten sie am Boden kratzen. Mit
einem Mal bremste das Flugzeug in der Luft stark ab und sank. Der Pilot
steuerte sicher die pilzförmige Halbinsel Akrotíri an, wo der Flugplatz von
Chaniá lag und setzte die Maschine ruppig auf die Rollbahn. Die Passagiere
reagierten mit einem Raunen. Er ließ die Reifen mehrfach quietschen, sodass
Qualm aufstieg. Durch das Rucken der Maschine stieß ich mir zweimal den Kopf.
    Konrad hatte sich
als Einziger erhoben und berührte auffordernd meine Schulter. Er nahm unsere
beiden Reisetaschen aus den Gepäckboxen und ging nach vorn. Eine Stewardess
entriegelte die Tür und schob sie zurück. Ein Flughafenbus spuckte eine Menge
Leute aus, die jetzt dem Flugzeug zusteigen würden.
    Konrad winkte mir
zu. Verwirrt folgte ich ihm. Wir waren die einzigen Passagiere, die in
umgekehrter Richtung in den Bus einstiegen.
    „Was soll das?“,
fragte ich unsicher.
    „Es ist in Ordnung.
Dein Koffer ist nach Deutschland unterwegs. Wir müssen noch etwas erledigen.
Morgen geht es dann weiter!“
    Ich folgte unwillig
seiner Aufforderung und musste mich zurückhalten, ihm massiv die Meinung zu
sagen. Seine Geheimnistuerei ging mir erneut mächtig auf die Nerven. Ich wollte
vor dem Busfahrer keinen Streit anfangen, es hätte nur seine Aufmerksamkeit auf
uns gelenkt. Vielleicht begreife ich ganz einfach die Sachlage nicht, so ging
es mir durch den Kopf, bin ich naiv, ignorant, habe ich etwas übersehen? Ich
war mir nicht sicher, was um mich herum geschah. In diesem Fall vertraue ich
Konrad, er überblickt Situationen besser als ich, dachte ich. Ich dagegen hatte
ein Plus bei der Einschätzung emotionaler Aspekte. Das ist eben, so redete ich
mir ein, das Ergebnis unserer doch unterschiedlichen Persönlichkeitsbildung.
    Am Flughafen nahmen
wir ein Taxi zum Hotel. Während des Abendessens wirkte Konrad redselig, aber
streng. Er schilderte mir Fakten seines Lebens, nannte viele Namen und riet mir
eindringlich, mir alles, was er berichtete, genau zu merken.
    Ich hatte ein
Problem mit ihm. Alles, was er schilderte,

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