Gott wuerfelt doch 1

nicht. Mit dem Entwenden meiner
Forschungsberichte hast Du mich in jedem Fall hintergangen. Es ist – sei es so
oder so – nicht zu entschuldigen. Wenn Du Konrad bist, hast Du anscheinend zwei
Menschen auf dem Gewissen, Deinen Bruder und seine Freundin. Du warst mit
Deinem Bruder auf Kreta. Das beweisen die Fotos, die Weiser dem Gericht
vorgelegt hat, auf denen ihr beide nebeneinander zu sehen seid.
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    Vater, lass Dich
nicht so täuschen! Sie waren so perfekt in ihrer grausamen Konsequenz, dass sie
Konrad sogar mein Gebiss gedoubelt haben. Wenn ich zum Zahnarzt gehen musste,
haben sie Konrad auch geschickt. Man kann sich das kaum vorstellen, aber genau
das machte sie so mächtig!
    --
    Wenn Du Walter
wärst, hättest Du Dich uns anvertraut, dessen bin ich mir sicher. Walter hätte
keinen Menschen umbringen können, dessen bin ich mir auch sicher. Wer aber
hätte dann Konrad getötet (und vor allem warum?), wenn Du Walter wärst? Ich bin
zu sehr verwirrt, um eine Antwort zu finden.
    Junge, ich weiß
nicht, wer Du bist. Wenn Du Konrad heißt, dann bist Du nicht an allem Schuld,
was passiert ist. Du hättest jedoch, wenn Du noch einen Rest Liebe in Dir
getragen hättest, die Grausamkeiten des Plans der Stasi erkannt und nicht so
gehandelt, wie Weiser es darstellt und die Unterlagen es nahe legen.
    --
    Oh Vater, Konrad
hatte diese Liebe, er hat sie gespürt! Sie hat ihn gehindert. Er hat sich
aufgegeben, weil er erkannt hatte, dass Liebe stärker ist. Er wollte unsere
Familie erhalten, obwohl er gar nicht wusste, was das war. Er hat sein Leben
lang ständig diesen Wunsch in sich getragen, und das Schlimmste ist im
Nachhinein: er durfte euch niemals kennen lernen.
    --
    Ich bete für
Dich, aber ich werde Dir nicht helfen können. Meine Glaubwürdigkeit ist bis
aufs Tiefste erschüttert. Man hat mir nahe gelegt, von meiner Position
zurückzutreten, ansonsten wird es ein Ausschlussverfahren geben. Meine
berufliche Karriere ist also auch beendet!
    Ich habe mit den
Anwälten gesprochen. Vor Gericht wird meine Aussage nichts wiegen; denn ich bin
ein Geächteter, wenn auch nur deshalb, weil ein bitterer Verdacht auf mich
fällt, mit dem ich nur am Rande zu tun habe. Außerdem: Als Dein Vater wird man
nichts anderes von mir erwarten, als dass ich meinen Sohn, was immer er auch
getan hat, entlaste. Das ist nur natürlich, und meine Aussage oder die von
Mutter haben vor Gericht allein aus diesem Grund keinen Wert für die
Urteilsfindung.
    --
    Er hatte Recht! Es
war absurd zu glauben, meine Eltern könnten mir irgendwie helfen. Mein Vater
war stets ein glänzender Analytiker gewesen. Wenn er die Dinge jetzt so sah,
wie er schrieb, würde er seine Gründe dafür haben, so zu denken: er hatte die
Chancen bereits abgewogen und würde etwas tun, was mir vielleicht von anderer
Seite helfen würde. Ich hatte von ihm gelernt, dass das Leben einen vor
Situationen stellt, die einem die Fähigkeit abverlangen, Hoffnung als Kraft zu
hegen, um das Überleben zu sichern. Mir wurde klar, dass meine Situation eine
von diesen war. Ich musste also weiter hoffen. Doch ich würde vollkommen
alleine sein!
    --
    Ich habe Walter
stets beigebracht, daran zu glauben, dass die Wahrhaftigkeit und das Gute
siegen werden. Ich glaube das übrigens heute immer noch! Wenn Du Walter bist,
wirst Du ganz sicher freikommen.
    Mutter ist nicht
in der Lage, noch einmal auszusagen. Ich werde sie aus dem Krankenhaus holen
und sie weit weg bringen. Denn es wartet eine neue Aufgabe auf mich und Deine
Mutter, die größer und bedeutender ist, als alles, was wir bisher getan haben.
Bisher konnten wir nicht weg, jetzt aber wird es Zeit. Niemand darf vorerst
davon erfahren, um die Sache nicht zu gefährden. Ich würde Walter gerne mehr
darüber erzählen. Weil ich jedoch unsicher bin, kann ich Dir nicht sagen, wohin
wir gehen werden.
    Jemand, der
unsere Familie nicht kennt, würde vielleicht sagen, ich wäre ein Feigling, ich
würde fliehen. Jeder der uns richtig kennt, wird das nicht sagen. Wenn Du
Walter bist, wirst Du verstehen, dass wir nur erfahren können, wer Du bist,
wenn es auf diese Art und Weise geschieht.
    Tief in meinem
Herzen habe ich die Hoffnung noch nicht begraben. Wenn Du Walter bist, glaube
an die Liebe und an all die Dinge, die Du von Deiner Mutter und mir gelernt
hast, Du wirst gewinnen! Es gibt für mich nur eine Möglichkeit, zu überprüfen,
wer Du bist. Walter wird frei gesprochen werden; wenn er sich i n A c h t
nimmt, wird er Erlösung finden.