Gottes blutiger Himmel
Organisation, und ich möchte ihn zurückholen.«
»Al-Qaida hat ihn entführt?«
»Nein, er hat sich ihr angeschlossen.«
Fadhil schien nicht überrascht zu sein. Er sagte: »Wenn er bis jetzt noch kein Selbstmordattentat begangen hat, danntut er es vielleicht in den nächsten Tagen oder Stunden. Wie sind Sie denn in den Irak gekommen?«
»Der syrische Geheimdienst hat mir geholfen.«
»Aber Sie nehmen doch amerikanischen Schutz in Anspruch!«
»Wenn Gott auf Seiten von al-Qaida steht, dann bin ich bereit, mit dem Teufel zu paktieren«, sagte ich.
»Machen Sie sich nicht zu viel Hoffnung. Sie können Ihren Sohn nicht zurückholen, wenn Sie ihn überhaupt finden. Nur zu Ihrer Information: Die Nachrichten haben sieben Selbstmordanschläge allein in den vergangenen zwei Tagen gemeldet. Wenn ich Ihnen einen Rat geben darf, dann fragen Sie in den Krankenhäusern oder in der Leichenhalle nach ihm. Vielleicht hat ihn einer der Verletzten noch gesehen, bevor er sich in die Luft gesprengt hat. Oder er wurde bei einem Gefecht verwundet. Aber wahrscheinlicher ist, dass er tot ist. Wenn Sie Glück haben, finden Sie noch ein kleines Stück von ihm, das Sie als Erinnerung nach Syrien mitnehmen können. Dann müssen Sie sich keine Gedanken mehr machen, ob er noch am Leben ist oder nicht.«
War das das Souvenir, das ich aus dem Irak mitnehmen sollte? Ich hatte nicht erwartet, dass er so frech und grob daherreden würde. Ich sagte: »Bringen Sie mich zurück ins Hotel«, machte kehrt und ging in die Richtung, in der Fadhil geparkt hatte. Er folgte mir schnell und ging mir wieder einige Schritte voraus. Ich trottete langsam hinter ihm her. Den Mann, der neben mir ging und sich mir plötzlich näherte, hatte ich gar nicht wahrgenommen. Unvermittelt drängte er mich an eine Hauswand. Ich versuchte ihn wegzustoßen, aber er verdrehte mir blitzschnell den Unterarm, legte mir eine Hand auf den Mund und zischte mir ins Ohr: »Gehen Sie nach Syrien zurück! Unverzüglich!« Dann ließ er mich los und kehrte augenblicklich zur Straße zurück. Erwar jung, großgewachsen, tiefbraun im Gesicht und trug ein arabisches Männertuch mit schwarzer Halteschnur auf dem Kopf. Das war alles, was ich von ihm noch sah, bevor ihn die Menschenmenge verschluckte.
Fadhil kommentierte den Zwischenfall, der nur Sekunden gedauert hatte, so: »Wenn er Sie entführen wollte, hätte er Sie nicht gewarnt. Mir scheint eher, die Amerikaner wollen Sie hier möglichst schnell weghaben.«
Im Hotel hatte mir Major Miller eine kurze Nachricht hinterlassen. Er wolle morgen früh vorbeikommen und einen Kaffee mit mir trinken, bevor er zur Arbeit ging. Ich begriff, dass er sich zum dritten Mal entschuldigen würde. Hatte er keine Zeit mehr für mich und hoffte darauf, dass mich der Mut verließe und ich ihn bäte, mich zurückzuschicken? Damit hätte die Warnung von heute Früchte getragen. Bevor ich schlafen ging, rief ich Fadhil an und bat ihn, morgen zu mir zu kommen. »Was ist denn passiert?«, wollte er wissen. »Ich möchte keine Zeit mehr verlieren«, sagte ich. »Ich werde in die Krankenhäuser gehen und dort nach meinem Sohn fragen.« Die Leichenhalle erwähnte ich nicht.
Die vierte E-Mail
Ich denke viel an Dich. Es war ein Fehler, dass ich Dir Sorgen aufgebürdet habe, die Dich nicht betreffen. Ich hätte sie besser einfach mit auf meine Reise genommen, ohne sie Dir mitzuteilen. Was ich falsch gemacht habe, habe ich allein zu verantworten.
Wann ich zurückkomme? Alles ist anders, als ich gedacht habe. Ich werde länger hierbleiben müssen, denn ich bin bisher noch keinen Schritt vorangekommen. Ich kann Samer nicht aufgeben. Täte ich es, würde ich es mein Leben lang bereuen. Ich habe jetztdie Gelegenheit, einiges von dem, was ich früher versäumt habe, wiedergutzumachen. Und auch das, worauf Du so rätselhaft anspielst.
Etwas, worauf sie angespielt hatte. Was war das gewesen? Meine E-Mail war eine Antwort auf eine vorhergehende von Sana gewesen. Sie hatte mir etwas mitgeteilt, was mich stutzig gemacht, was ich aber schnell überlesen hatte. Es ging um etwas, was eine Bereinigung oder Richtigstellung erforderte. Aber im nächsten Moment war es mir entfallen. Als ich aus dem Zimmer ging und die Tür zuzog, bemerkte ich, dass ich vergessen hatte, was es war, obwohl es mich innerlich auf eine mir unverständliche Weise belastete. Ich wollte zurück in mein Zimmer, um die E-Mail noch einmal zu lesen, aber ich war schon am Fahrstuhl angekommen. Ohne es zu
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