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Gottes blutiger Himmel

Gottes blutiger Himmel

Titel: Gottes blutiger Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fawwaz Hahhad
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womit man alte Rechnungen begleichen konnte, sowie alles, was nach Skandal roch, wurde vermarktet. Das typische Syndrom eines Umsturzes eben. Eine neue Ära nahm Rache an der alten.
    »Wir Iraker sind eigensinnig. Wir haben uns an der alten Ära gerächt, indem wir sie auf dem Asphalt ausgebreitet haben. Aber dabei blieb es nicht. Wir stürzten auch die Statuen Saddams und die aller seiner Vorgänger. Das Standbild von Premier Saadun wurde gestohlen, die Büste von al-Ghariri wurde entfernt und die Statue von Präsident al-Bakr niedergerissen. Die von Abu Djaafar al-Mansur hat jemand in die Luft gesprengt, und das Grab von Michel Aflaq, dem geistigen Vater der Baath-Partei, wurde dem Erdboden gleichgemacht.«
    Die Gegenwart schreibt die Vergangenheit neu und rächt sich an ihr.
    Wir wollten bis zum Ende der Rashid-Straße gehen, aber ein lauter Knall beendete unseren Ausflug vorzeitig. Mir war, als wäre eine Bombe in unmittelbarer Nähe detoniert, und ich wollte mich schon schutzsuchend an einer Hauswand niederwerfen, aber ich sah, dass Fadhil und alle anderen Menschen auf der Straße nur nach oben blickten. Eine dickeRauchsäule stieg in den Himmel und ließ erahnen, dass die Explosion einige Blocks entfernt stattgefunden hatte.
    Irakische Polizeifahrzeuge rasten an uns vorbei zur Brandstelle, gefolgt von Krankenwagen mit heulenden Sirenen, während am Himmel amerikanische Hubschrauber auftauchten und in Richtung der Rauchsäule flogen.
    In den Abendnachrichten hieß es dann, eine Autobombe sei auf dem Firdaus-Platz explodiert. Drei Zivilisten waren ums Leben gekommen, fünfzehn weitere Personen, darunter mehrere bewaffnete Wachleute, verletzt worden. Ein zweiter, viel schwererer Anschlag, den ich nicht gehört hatte, hatte sich weiter weg auf einem Viehmarkt ereignet. Dort waren vierundzwanzig Menschen sofort getötet worden, unter ihnen der Selbstmordattentäter, und über hundert wurden verwundet. Bis zum Abend stieg die Zahl der Todesopfer auf vierzig. Ein Anschlag auf einen amerikanischen Kontrollposten hatte keine Opfer gefordert. Auch aus anderen Gegenden des Irak wurden Anschläge gemeldet. In Basra hatte sich ein Attentäter vor einer Rekrutierungsstelle in die Luft gesprengt, wodurch neun Menschen starben und achtunddreißig verletzt wurden, in Ramadi kamen sieben Menschen ums Leben und vierzig wurden verletzt, in Kerbela starben einundzwanzig und Dutzende wurden verwundet. Bei Mossul kamen zwei US-Soldaten zu Tode, als ihre Kolonne von einem am Straßenrand versteckten Sprengsatz getroffen wurde. Ein bewaffneter Überfall in Tikrit forderte sieben Verletzte, unter ihnen ein ranghoher Lokalpolitiker.
    Zusätzlich zu denen, die schon in den Morgennachrichten genannt worden waren, waren all diese Menschen Opfer eines ganz normalen Tages im Irak geworden. Und laut Fadhil starben in Wirklichkeit noch viel mehr Menschen.
    Am Abend senkte sich Dunkelheit über Bagdad. Nur wenige Straßen waren noch von Feuerschein oder Leuchtraketenerhellt, in Gebäuden brannte hier und da Licht, und die Scheinwerfer vorüberfahrender Autos tasteten sich unsicher durch die Nacht.
Die dritte E-Mail
    Meine Mission stockt, noch bevor sie begonnen hat. Die Zeit vergeht, und sie wird mir unerträglich lang.
    Ich mache mir schon so genug Sorgen und wünsche mir keine weiteren dazu. Deshalb bitte ich Dich, mich nicht mit Befürchtungen Deinerseits zu belasten.
    Ich würde gerne irgendetwas tun. Aber ich muss alles auf unbestimmte Zeit hinausschieben.
    Sanas letzte E-Mails waren immer eindringlicher geworden. Sie hatte mir zuletzt drei- oder viermal am Tag geschrieben, immer im selben Tonfall. Sie bat mich, nicht durch die Straßen zu laufen und sehr vorsichtig zu sein. Vorher hatte sie immer versucht, mir keinen Kummer zu bereiten und über nichts zu schreiben, was uns beide betraf. Aber jetzt wurde sie deutlicher: Sie drängte mich, nach Damaskus zurückzukommen. Gründe hatte sie viele. Sie habe Angst, sie brauche mich, sie habe Schuldgefühle, weil sie mich nicht daran gehindert hätte, abzureisen, und sie leide unter Albträumen. Sie steigerte sich in etwas hinein, und das kam mir überhaupt nicht gelegen. Es reichte mir schon, dass Miller sich einbildete, einen Spion suchen zu müssen. Heute hatte er mich gar nicht erst angerufen. Daher hatte ich mit Fadhil eine weitere Tour verabredet.
    Der Gewürzmarkt von Bagdad roch nach Pfeffer, Zimt, Anis und Kreuzkümmel, auf dem Handwerkermarkt hörte man Kupferschläger lärmen, und im

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