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Gottes blutiger Himmel

Gottes blutiger Himmel

Titel: Gottes blutiger Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fawwaz Hahhad
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mit einem scharfen Blick auf die seltsame intensive Mischung von Gefühlslagen in ihrem eigenen Inneren. Einen ersten Gedichtband hatte sie schon veröffentlicht, und sie las mir daraus vor. Es war nicht nur schön, es war beeindruckend. Vielleicht berührte es etwas in meinem weltabgewandtenGemüt, und es war so zart, dass ich es kaum ertrug. Aus dieser Dichtung sprach eine Frau, die sich keinem Schmerz unterwarf, sondern eher dem Moment, und dies war zugleich Wunder und Mangel. Ich sagte meine Meinung aber nicht, weil ich fürchtete, sie würde sie nur für Höflichkeit halten, und beließ es dabei, sie zum Weiterdichten zu ermutigen.
    Ohne Zweifel hatte das, was mich in Sanas Mail stutzig gemacht hatte, mit unserer Beziehung zu tun. Der Gedanke ließ mich nicht mehr los, während ich auf den Lift wartete, und ich erwog noch einmal, zurückzugehen, um die Nachricht ein zweites Mal zu lesen, aber jetzt öffnete sich die Tür des Fahrstuhls und ich trat ein. Fast hätte ich wieder mein Stockwerk gedrückt, aber nun war ich schon im Erdgeschoss angekommen, wo die Tür aufging und ich Miller in der Lobby sah, der mich verabredungsgemäß erwartete.
    Vielleicht weil ich nun nicht mehr hinauffahren konnte, war ich wütend auf den Major, der mir auch diesmal nichts Neues mitteilen konnte. Ich verhehlte meine Verärgerung über die ständigen Vertröstungen nicht und fragte mit berechtigtem Spott: »Und, haben Sie Ihren Spion schon gefunden?«
    »Es geht um keinen Spion, sondern um etwas Schlimmeres.«
    »Schlimmer ist das, was ich durchmache. Es ist ärgerlich, hier so untätig herumzusitzen, während mir die Zeit durch die Finger rinnt!«
    »Untätig? Aber es gibt doch jede Menge Abwechslung in der Grünen Zone. Es gibt Leute, die haben die Zone in sechs Monaten nur ein- oder zweimal verlassen. Warum gehen Sie nicht wie andere auch einkaufen? Sie finden hier Geschäfte mit echten Sonderangeboten. Churchill-Zigarren zum Beispiel kosten nur ein Viertel von dem, was Sie in jedem europäischenTax-free-Shop dafür bezahlen müssten, Cohibas ein Drittel. Und Wertgegenstände jeder Art kriegen Sie zum Schnäppchenpreis.«
    »Ich bin nicht in Stimmung, meine Zeit mit Shoppen zu verbringen.«
    »Es gibt ja noch andere Möglichkeiten. Schauen Sie doch mal auf die Tafel mit den Aushängen, da finden Sie sicher etwas, was Ihnen zusagt. Es gibt hier übrigens einen protestantischen Pastor, der Bibelunterricht anbietet. Warum gehen Sie da nicht mal hin?« Ich war verblüfft.
    »Ich brauche keinen Unterricht, außerdem bin ich Muslim.«
    »Das hatte ich ganz vergessen. Man sieht es Ihnen gar nicht an.«
    »Wahrscheinlich haben Muslime eine spezielle Schädelform, an der man sie erkennt.«
    Ich konnte meinen Ärger nicht mehr verbergen. Aber seine Antwort machte es nicht besser: »Ich meine ja nur, weil Sie so friedlich sind.«
    Jetzt hatte er sich richtig verrannt und versuchte sich zu korrigieren: »Ich dachte, dass Sie vielleicht syrischer Christ sind und dass Ihr Sohn den Islam erst angenommen hat, als er sich den Terroristen anschloss. Sehen Sie es mir nach. In Afghanistan wurde kürzlich ein junger Amerikaner festgenommen, der zum Islam konvertiert war und daraufhin gegen die Truppen seines eigenen Landes gekämpft hat.«
    Offenbar dachte er, wir seien uns zwar als Väter ähnlich, aber als Menschen fremd.
    »Soll ich den Irak verlassen?«, unterbrach ich brüsk diese nutzlose Diskussion.
    Meine Frage überraschte ihn. Ich erzählte ihm von der Warnung, die mir am Vortag in der Rashid-Straße zugetragenworden war und fragte: »Was wollen Sie? Dass ich wieder dahin gehe, wo ich herkomme?«
    »Wenn ich Sie nicht hier haben wollte, dann würde ich keine solch albernen Krimimethoden anwenden.«
    Miller behagte die Sache nicht, und er begann zu spekulieren. Wenn ich unter Beobachtung stände, dann hieße das, dass auch seine Mission nicht mehr geheim war. Es gäbe offenbar jemanden, der mich loswerden wollte. Miller schloss nicht aus, dass es jemand aus Kreisen der US-Armee war, der seine Arbeit behindern wollte. Über meine Geschichte wüssten aber nur wenige hohe Militärs Bescheid, und es sei undenkbar, dass bei Metracorp, mit der er im Clinch lag, jemand etwas von meiner Anwesenheit wusste. Es sei denn, jemand habe es dem Unternehmen zugetragen, aber das sei unwahrscheinlich.
    Ich sagte: »Was auch immer dahintersteckt, ich nehme von niemandem Anweisungen entgegen. Mir geht es nur um eines, nämlich dass wir sobald wie möglich

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