Gottes blutiger Himmel
Städte des Islams enden kann.«
Miller kommentierte: »Es scheint, dass Anhänger fundamentalistischer Gruppen aus den USA als Soldaten in den Irak gelangt sind und dass sie Vertreter und Zuarbeiter in der Grünen Zone in Bagdad und anderswo haben. Aber niemand kümmert sich um sie. Wenn der Verfasser dieses Briefs nicht selbst an dem Verbrechen in Dhuluiya beteiligt war, dann haben sie ihn offenbar beauftragt, Druck auszuüben, damit die Ermittlungen eingestellt werden.«
»Und was wäre, wenn …«
Miller unterbrach mich: »Ach, das ist doch nichts als religiöses Geschwätz.«
»Trotzdem könnte es sein«, sagte ich, »dass es in Washington Leute gibt, die ebenfalls daran glauben und versuchen, diese Leute militärisch zu unterstützen. Dieser Krieg ist grenzenlos.«
»Lass dich nicht zu solchen Phantasien hinreißen«, sagte Miller. »Wenn es so wäre, hätte das beängstigende Konsequenzen.«
Mich veranlasste die Sache, mich wieder mehr auf mich selbst zurückzuziehen. Ich musste mein Verhältnis zu Miller überdenken, es durfte nicht zu eng werden. Ich stand nicht an derselben Front und auf derselben Seite wie er, sondern war gegen die Politik seines Landes. Als ich studierte, hatte ich nie einen Hehl aus meiner Feindschaft gegen die Amerikaner gemacht, ich demonstrierte gegen sie und verteilte Flugblätter gegen US-geführte Putsche, amerikanische Militärbasen und dagegen, dass sie unsere korrupten Herrscher unterstützten. Was war denn heute anders? Nichts, im Gegenteil, jetzt besetzten sie sogar unsere Länder. Ich sagte zu Miller: »Ideen interessieren mich nicht mehr, weder Sozialismus noch Kapitalismus. Mich interessiert nur noch Menschlichkeit in ihrer gewöhnlichsten Form, das Recht auf Leben. Ist es menschlich, ein ganzes Land zu zerstören und Hunderttausende Iraker zu töten? Wofür denn? Niemand weiß es. Glaub mir, dass ich es mir selbst übelnehme, eure Hilfe in Anspruch genommen zu haben.«
Miller schien erschrocken über meine Reaktion. Aber ich fügte ungerührt hinzu: »Was auch immer meine Ansichten sein mögen: Ich bin dagegen, dass ihr hier seid.«
Er machte eine betroffene Miene, und auch ich sagte im Tonfall des Bedauerns: »Richard, ich kann nicht anders, als mich im Kriegszustand mit euch zu betrachten. Und wenn ich diesen Krieg nicht förmlich erkläre, dann nur, weil ich nichts ausrichten kann. Ich bitte dich, zu verstehen, dass mein Gewissen gegen euch ist.«
Er war nun nicht mehr überrascht. Nach einer Weile erhob er sich und sagte: »Auch ich habe ein Gewissen.« Er klopfte mir auf die Schulter und ging.
Bevor ich mich schlafen legte, warf ich noch einen Blick auf meinen Posteingang. Ich sah eine E-Mail von Sana und lassie. Endlich schrieb sie mir, was sie vorher nicht hatte sagen wollen. Sie war schwanger!
Ich war in keiner Weise auf eine solch erschütternde Nachricht vorbereitet gewesen. Mir wurde schwindlig. Ich antwortete Sana, indem ich ihre Nachricht ignorierte und stattdessen eine Anspielung machte, die sie sicherlich zu deuten wüsste.
Die achte E-Mail
Von Tag zu Tag wird hier alles komplizierter. Ich fürchte, ich werde scheitern, hoffe aber noch, dass mein Starrsinn etwas ausrichten wird.
Ich weiß, dass ich Deine einzige Wahl bin. Aber denk bitte trotzdem über Alternativen nach. Ich rede nicht nur so daher. Ich meine es ernst.
Ich wollte, dass Sana alle Hoffnungen auf meine Rückkehr fahren ließ. Ich selbst hatte kaum noch die Illusion, das zu erreichen, weswegen ich gekommen war. Alles stand mir entgegen, und ich wollte Sana mit meiner Stimmung anstecken, nachdem sie mich in ihrem Schreiben auf Frauenart hatte aufmuntern wollen: Ein Kind begann in ihrem Leib und in ihrem Herzen zu wachsen. Sie hatte mir außerdem ihren Entschluss verkündet, nicht abzutreiben. Sie wolle ihrem Kind nicht verwehren zu leben. Sie habe lange gewartet, bis sie sicher gewesen sei, dass sie schwanger war, und noch länger, ehe sie den Mut fand, es mir mitzuteilen.
In der Zeit vor meiner Abreise hatten wir es mit der Verhütung nicht allzu genau genommen. Kinder zu bekommen hatten wir uns für die Zeit nach unserer Heirat aufgehoben, ohne dass wir darüber gesprochen hätten. Es ärgerte mich, wie freudig sie über ihr Kind schrieb, so als wäre es schonfast da, und wie sie mir gleichzeitig die Verantwortung dafür zuschob: »Das Kind braucht einen Vater, Dein Kind braucht Dich!« Als ob dieses Kind mich über Samers Verlust, wenn ich ihn denn verlöre, hinwegtrösten
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