Gottes blutiger Himmel
befürchte, dass auch mir eine solche bevorsteht.
Ich könnte nicht bedrückter sein. Ein düsteres Bild tut sich mir auf.
Was ich fühle, ist nicht mehr Trauer. Meine Empfindungen sind abgestumpft.
Ich hoffe, Du zahlst nicht den Preis dafür.
Reverend Barcley residierte in dem Gebäude, das Metracorp für seine Büros angemietet hatte, in einem Raum, der sich an einen mittelgroßen Saal anschloss. Seine Lektionen und Predigten, die er in diesem hielt, wurden von gläubigen Soldaten besucht, denen während der Feuerpausen der Sinn nach einer Prise Frömmigkeit stand oder die getröstet werden wollten, indem ihnen jemand versicherte, ihr Dienst sei nicht nur vaterländische Pflicht, bei der christliche Erlösung keine Rolle spielte, sondern sei ein Opfer auf dem Altar göttlicher Kriege. Eine der Broschüren auf einem Tischchen neben der Tür thematisierte, was wäre, wenn Soldaten in einem Land stürben, das sie hassten.
Der Saal bot mehreren Stuhlreihen Platz und sah aus wie eine Kirche oder ein Gebetsraum in einem Kloster, der allerdings recht modern und martialisch ausgestattet war. Neben dem gekreuzigten Christus mit Dornenkrone und blutigem Haupt und der weinenden Jungfrau hing an der Wand ein großer Bildschirm, und zusätzlich liefen auf einem kleinen Fernseher ununterbrochen tonlos Nachrichten von Fox News. Daneben stand ein Computer mit Drucker auf einem Tisch, davor ein Stuhl, an der Wand lehnte eine Kalaschnikow neuesten Typs, auf einem Regal darüber lagen sechs Munitionsmagazine, eine Glock-Pistole mit drei Magazinen und zwei Handgranaten.
Reverend Barcley hielt eine Lektion über die Prophezeiungen und hatte zur Verdeutlichung ein paar Bilder und Pläne an der seitlichen Wand aufgehängt, als Miller den Saal betrat. Der Pfarrer, ein Mann Mitte vierzig mit grauen Haaren und rasiertem Kinn, war gerade an einer dramatischenStelle angelangt, die er mit theatralischer und triumphaler Stimme vortrug: »Gefallen, gefallen ist Babylon, und all seine Statuen wurden zu Boden gerissen und zerschmettert.« Dazu zeigte er auf ein vergrößertes Foto vom Firdaus-Platz in Bagdad mit der zerstörten Statue von Saddam Hussein. Das Gleichnis war deutlich: Bagdad als das Babylon der Götzen, von dem das Buch Jesaja im Alten Testament berichtet, und das gestürzte Standbild des Herrschers als Symbol der großen babylonischen Götter. Der Reverend hatte Miller nie zuvor gesehen und hielt ihn für einen interessierten Besucher. Er begrüßte ihn mit einem flüchtigen Blick und nahm dann einen zuvor geäußerten Gedanken wieder auf, den er erläuterte, indem er mit einem Zeigestock über eine Grafik fuhr, die mit den Worten »Gottes Zeitplan« überschrieben war. Er führte vor allem das Ende der sechsten Epoche des Plans aus, denn dies war die gelebte Gegenwart, in der man das erste Hauptereignis erwartete, die sogenannte Entrückung. Dabei würde der Messias in den Wolken inmitten von Lichtglanz erscheinen, um die Gläubigen in den Himmel zu geleiten, zuerst die Toten, dann die Lebenden. Diese Entrückung würde sich plötzlich und zeitgleich überall auf der Welt ereignen und dazu führen, dass ohne erkennbaren Grund eine große Zahl von Menschen verschwände. Zur weiteren Verdeutlichung zeigte Barcley ein Video, in dem Wolkenkratzer und andere hohe Gebäude, weite Felder, breite Straßen, grüne Bäume, moderne Autos, große Lastwagen und Friedhöfe zu sehen waren. Darüber erschien Christus in den Wolken und hielt die Hand auf, um die Gläubigen aufzunehmen, woraufhin die Autos von den Straßen abkamen, sich überschlugen und in Flammen aufgingen, Flugzeuge in die Gebäude stürzten und aus den Friedhöfen sich menschliche Körper erhoben und in den Himmel aufstiegen, gefolgt von den Lebenden. Das zweiteGroßereignis werde die sieben Jahre dauernde Drangsalzeit sein. In dieser Zeit werde der Antichrist die Welt vom Tempel in Jerusalem aus regieren, und schreckliche Plagen werden die Menschen heimsuchen. Ablösen werde ihn schließlich der Messias, der die Armeen der Heiligen und Gläubigen gegen diejenigen des Antichrist in die Schlacht von Armageddon bei Haifa führen wird. Mit dem Sieg des Guten über das Böse werde das Tausendjährige Reich Christi beginnen. Gottes Sohn werde vom Tempelthron in Jerusalem die Welt regieren, und Frieden, Gerechtigkeit und Glück werden herrschen. Dies sei Gottes Plan für die Welt seit Anbeginn und von Ewigkeit zu Ewigkeit.
Ein Soldat fragte Reverend Barcley nach den erwähnten
Weitere Kostenlose Bücher