Gottes blutiger Himmel
-zerstörungen, über Kollektivbestrafungen, die Stürmung von Moscheen, über Kontrollen von Frauen durch männliche Soldaten, die Festnahme und Erniedrigung von Männern vor den Augen ihrer Frauen und Kinder und den Diebstahl von Schmuck und Ersparnissen. »Vor zwei Tagen«, sagte Jonathan, »haben unsere Soldaten in die Luft geschossen, um eine Demonstration von Irakern aufzulösen. Die meisten Leute flohen, aber zehn waren noch übrig, die haben sie alle erschossen. Als ein Auto kam, töteten sie den Fahrer, und als der Beifahrer mit erhobenen Händen ausstieg, schossen sie auch den nieder. Dann feuerten sie auf das nächste Fahrzeug und töteten alle Insassen, darunter eine Frau und zwei Kinder. Der Kommandant der Einheit lobte anschließend seine Leute, indem er sagte: Das war eine ertragreiche Jagd, Leute, siebzehn Zivilisten an einem Tag!«
Er wolle seine Entlassung aus der Armee beantragen, sobald er wieder in Amerika sei, verkündete mir Jonathan, und sich danach für Frieden einsetzen und Antikriegsdemonstrationen organisieren.
Mittlerweile waren die Leichen des Massakers von Dhuluiya bei Nacht aus dem Krankenhaus in die Leichenhalle transportiert worden, wo sie als angebliche Opfer konfessionellerKonflikte abgelegt wurden, die man in einer verlassenen Gegend im sunnitischen Dreieck gefunden habe. Sie wurden in nummerierte Säcke gepackt und zum Friedhof für nicht identifizierte Tote gebracht. Die Anweisungen lauteten, die Leichname niemandem ohne Erlaubnis zu zeigen und niemandem zu bestätigen, dass man sie habe, um nicht Unruhen auf der Straße und angebliche weiteren konfessionellen Konflikten Nahrung zu geben.
Wir saßen im Wohnwagen, Miller war wütend, die Hitze war drückend, und die Klimaanlage vermochte seine Nerven nicht zu kühlen. Er hatte weiterhin nichts erreicht. Die bei dem Einsatz in Dhuluiya beteiligten Personen blieben bei ihren Aussagen, und auch ihre scharfe Überwachung hatte zu keinem Ergebnis geführt. Plötzlich kam Jimmy herein. Er wagte es, für alle sichtbar Millers Wohnwagen zu betreten, aber er hatte seine Gründe, dies noch dazu in der mörderischen Mittagshitze zu tun. Er habe etwas mitzuteilen, erklärte er, was keinesfalls am Telefon besprochen werden und nicht warten könne, bis man sich erneut zu einem Treffen verabredete. Zudem müsse es von Angesicht zu Angesicht erörtert werden. Es war kein Zufall, dass das, was ihn zu Miller führte, eben das war, was den grollenden Major so beschäftigte.
»Die Soldaten haben Anweisung, bei ihren Aussagen zu bleiben. Dafür wurde ihnen zugesichert, dass die Ermittlungen sich nicht gegen sie richten und innerhalb von zwei Tagen eingestellt würden«, sagte Jimmy.
Es war eindeutig, dass Jimmy seine Informationen von einem Vertrauten in der Kampfgruppe selbst bezog. Und er vertrat die Meinung, es sei besser, dass Miller erst dann weiterermittelte, wenn er die Verdächtigen mit neuen Informationen konfrontieren könnte. Aber Miller wurde jetzt erst richtig zornig und erwiderte, er halte seine bisherigen Erkenntnissedurchaus für ausreichend. Außerdem bestand er darauf, die Identität von Jimmys Informanten zu erfahren. Der Journalist lehnte ab, er wolle seine Quelle nicht verlieren. Miller fragte ihn wütend: »Liegt Ihnen noch immer an der Wahrheit?«
»Um offen zu sein«, sagte Jimmy, »nicht um ihrer selbst willen. Wenn ich die Wahrheit erfahren möchte, dann auch deshalb, um damit Aufsehen zu erregen.«
»Sie wollen also die Wahrheit erfahren, um über Kriegsskandale zu berichten. Mir geht es aber darum, die Schuldigen zu bestrafen, und wenn ich abwarte oder zu spät handle, dann kommen sie vielleicht ungeschoren davon. Für Sie ist es einfacher, Sie können sich jederzeit aus der Sache herausziehen.«
Miller wollte Jimmy hinauswerfen. Er stand auf und zeigte mit einem Finger zur Tür.
»Wenn ich jetzt hinausgehe, werde ich Sie nicht noch einmal anrufen«, sagte Jimmy.
Miller zögerte. Der Journalist ergriff seine Chance und sagte: »Wenn ich meine Quelle geheim halte, aus welchen Gründen auch immer, so tut das der Wahrheit keinen Abbruch.«
Millers Finger deutete noch immer zur Tür. Er wollte nicht klein beigeben. Beide Männer hatten sich verrannt und würden wohl zu keiner Einigung mehr kommen. Jimmy schwieg; er schien der Unterlegene zu sein. Er dachte nach, dann sagte er, so als wären dies seine letzten Worte, bevor er ging: »Ich warne Sie. Wenn man es mit der Wahrheit übertreibt, erfährt man sie zuweilen
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