Gottes blutiger Himmel
wieder in Haft, nachdem er einen Studenten entführt hatte, dessen Vater als wohlhabend bekannt war. Im Gefängnis gestand der Entführer, dass er manche seiner Geiseln an islamische Milizen und andere Widerstandsgruppen verkauft hatte. Die von den Amerikanern angeheuerten Sicherheitsleute, die ihn verhörten, glaubten, sie könnten sich sein Wissen zunutze machen, indem er sie zu den Verstecken gesuchter Personen führte, also vereinbarten sie mit ihm, ihn freizulassen, wenn er im Gegenzug mit ihnen kooperierte. Er kam frei, aber aus der Vereinbarung wurde nichts, denn Ibrahims Spur verlor sich schon bald in Bagdad. So behaupteten sie jedenfalls, denn er war keineswegs verschwunden, sondern arbeitete bei Metracorp. Die Firma hatte ihn den Verhörern von Abu Ghuraib für eine stattliche Summe abgekauft und führte ihn als Dolmetscher. Sie schonte ihn nicht und versuchte denAngestellten so gut auszunutzen, wie es ging, aber auch Ibrahim nutzte seine Stellung aus. Er arbeitete nebenher auf eigene Rechnung, nachdem er den chilenischen Ex-Militär José Rota, einen Sergeant namens Fractos Salina unbekannter Nationalität und Delon Faans kennengelernt hatte. Letzterer hatte während der Apartheid für die südafrikanische Geheimpolizei gearbeitet und war nun im Ruhestand. Sie alle waren Teil der Gruppe, um die Miller sich kümmern sollte, sie waren bei Metracorp angestellt, unterstanden dem Kommando von Harry Kittel, und Ibrahim Dscharbuli war ihr Führer. Es war schwer, zu sagen, wer von ihnen wen verdorben hatte, denn ohne Übertreibung konnte man behaupten, dass sie allesamt Mörder großen Kalibers und Diebe ersten Ranges waren.
Als Ibrahims Unterschlupf durchsucht wurde, fand man dort Dutzende von Handgranaten, Mörsergeschosse, gefälschte Ausweise und eine Maschine zum Geldfälschen, alles Überbleibsel seiner früheren Arbeit, die er für die Zukunft aufbewahrt hatte. Außerdem wurde ein unterirdisches Verließ entdeckt, in dem er Geiseln gefangen gehalten und gefoltert hatte, worauf Blutspuren auf dem Boden und Stricke hinwiesen, mit denen Entführte an der Decke aufgehängt wurden. An den Wänden hingen Bilder von nackten Frauen, die der Entführer wohl von seinen amerikanischen Freunden bezogen hatte und mit denen die Gefangenen gekränkt werden sollten. Der Keller musste bis vor etwa einem Monat noch benutzt worden sein, also bis zu der Zeit, in der die Gruppe ihre nächtlichen Überfälle begonnen hatte.
Miller hatte damit einen starken Trumpf in der Hand. Der Colonel gewährte ihm einen weiteren Tag, nachdem Miller ihn dahin gehend beruhigt hatte, dass seine neugewonnenen Informationen die Metracorp-Gruppe entlasten würden, da nun feststehe, dass Ibrahim als Hauptverantwortlicher fürdie Massaker anzusehen sei, indem er seine Stellung als Lotse und Dolmetscher ausgenutzt und die anderen in seine Aktionen hineingezogen habe.
Es war dennoch nicht einfach für Miller, die Firma davon zu überzeugen, dass er seine Ermittlungen nun in eine andere Richtung weiterführen müsse, indem der Verdacht von dem Unternehmen selbst auf Ibrahim gelenkt wurde. Dessen Vorstrafen reichten bereits aus, ihm alles zuzutrauen, was bei den Massakern angerichtet wurde, und da er nun einmal tot war, würde er sich auch nicht verteidigen können. Dennoch müssten die Ermittlungen weitergeführt werden, um ausreichende Beweise zu sammeln. Zudem deutete Miller an, wo Beweise fehlten, könnte man sie schaffen. Dennoch ermahnte ihn der Colonel, dass jede Anschuldigung gegen Mitarbeiter von Metracorp sich nicht nur auf diese Firma, sondern auf alle Sicherheitsunternehmen im Irak auswirken würde. Wenn man sie juristisch belange, so sei dies ein Verstoß gegen die Verträge mit ihnen, sie würden gesetzliche Hürden aufbauen und auf Millionen von Dollar Schadenersatz klagen, ganz zu schweigen davon, dass sie ihre Sachen packen und abziehen würden. Man brauche sie aber noch.
Miller war nicht glücklich mit dem, was er da trieb. Er sah sich gezwungen, dieselben schmutzigen Methoden anzuwenden wie die anderen, man ließ ihm keine Wahl, und er fragte mich, ob ich meinte, dass er damit seine Seele verspielen würde. Er glaubte, dass dies zum Teil bereits passiert sei, weil er sich auf diesen Handel eingelassen hatte, obwohl er damit letztlich bezweckte, seine Gegner zu überführen. Ich versuchte ihn zu trösten, indem ich sagte: »Du brauchst dich nicht zu bekümmern, es ist nur ein vorübergehender Kompromiss. Auch ich werde mich wohl
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