Gottes blutiger Himmel
beauftragen wir nicht andere damit, denn ein solches Vorgehen erfordert höchste Geheimhaltung. Was Dhuluiya oder andere Orte betrifft, so können Sie sicher sein, dass wir mit solchen grässlichen Verbrechen nichts zu tun haben.«
Aber Miller hörte auf niemanden, der ihm riet, die Akte zu schließen. Er hörte lediglich auf Jimmy, der ihm empfahl, sich zu beeilen. Der Journalist bekam Angst, dass sein Informant auffliegen und seine Aussagen widerrufen könnte.
»Sein soldatisches Gewissen könnte wieder erwachen«, meinte er. »Er hat sich vor seinen Kameraden durch Eid verpflichtet, kein Wort über die nächtlichen Expeditionen der Gruppe nach außen dringen zu lassen. Was würde mit ihm wohl passieren, wenn sie seinen Verrat entdeckten?«
Das eigentlich Wichtige, was der Soldat bisher nicht preisgegeben hatte, war die Frage, was die Söldner gesucht hatten oder was das Ziel ihrer Attacken gewesen war. Wenn das herauskäme, so Jimmy, wäre klar, dass der Verrat aus der Gruppe selbst erfolgt war und wer die Information geliefert hatte. Sie würden seinen Informanten dann beseitigen.
Doch nach allen Fehlschlägen und Blockaden tat sich für Miller ein Hoffnungsschimmer auf. Das Ibn-Sina-Krankenhaus in der Grünen Zone, das von der 28. Division der US-Armee genutzt wurde, teilte Miller mit, der Gruppenführer Captain Harry Kittel sei aus dem Koma erwacht. Sein Zustand sei allerdings noch instabil, und er rede wirres Zeug. Miller eilte ins Krankenhaus, wo ihm der Arzt in ironischem Ton mitteilte: »Der Patient scheint sich irgendwo zu befinden, wo er Mord und Totschlag befiehlt.« – »In Dhuluiya?« –»Machen Sie sich nicht zu viele Hoffnungen. Ein solches Gefasel ist unbrauchbar, selbst wenn es eindeutige Geständnisse enthalten sollte.«
Die wirren Äußerungen des Patienten brachten in der Tat nichts, auch wenn sie erschreckend waren. Kittel schrie und benutzte Schimpfwörter, die umso schlimmer klangen, als sie in einem Zimmer mit strahlend weiß getünchten Wänden, blankgeputzten Fenstern und sauberem Fußboden fielen und diese adrette Umgebung zu beschmutzen schienen. Der Himmel war blau und wolkenlos, kein feiner Wüstenstaub drang in Mund, Rachen, Ohr und Auge, und hier brüllte ein Wahnsinniger gegen all die lebenserhaltenden Apparate in einem keimfreien Zimmer eines modernst ausgestatteten Krankenhauses an. Die Stationsärzte, Chirurgen und Pfleger hätten den Mann gern aus seinem Zustand erlöst, denn er beschimpfte auch sie, und sie wollten nicht unbedingt noch mehr hören, doch sie konnten seine unflätigen Schmähungen und Befehle und sein Spucken nicht ignorieren. Er wies an, seine Opfer zu foltern und zu schänden, zu töten und wieder zu schänden …
Jimmy schlug Major Miller vor, er solle sich den bei dem Unfall getöteten Iraker Ibrahim Dscharbuli vornehmen. Er hatte die Söldnergruppe bei all ihren Einsätzen geführt und könne nun vielleicht Miller zum Erfolg führen. Irgendetwas würde er sicher über ihn herausfinden.
Die Idee erwies sich als gut, als Miller aus dem Gefängnis Abu Ghuraib erfuhr, dass der Betreffende dort bekannt war und dass er interessante Vorstrafen aus der Zeit des alten Regimes hatte. Er hatte an Saddams Kriegen teilgenommen und das Handwerk des Tötens nicht nur gelernt, sondern an der Front gegen Iran und in Kuwait auch ausgiebig praktiziert. Einmal hatte er im Streit einen Vorgesetzten geschlagen und ihm so in den Unterleib getreten, dass dieser impotentdavon wurde. Er floh, wurde nach Jahren gefasst und zum Tode verurteilt. Während er im Gefängnis noch darauf wartete, eines Tages zum Galgen zu schreiten, wurde er aufgrund einer Amnestie, die der Präsident kurz vor der Invasion aussprach, entlassen. Er war mittellos und fand nicht in ein ziviles Leben zurück. Nach der Besetzung des Irak bildete er mit früheren Mithäftlingen, die ebenfalls freigekommen waren, eine Bande. Zuerst raubten sie Behörden aus, dann gingen sie dazu über, Autofahrer an Verkehrskreuzungen zu überfallen, ihnen ihr Geld und ihre Autos abzunehmen. Eine Polizei, die sie hätte stoppen können, gab es nicht mehr. Die irakischen Polizisten waren entweder in ihre Dörfer zurückgegangen oder selbst zu Räubern geworden, und die wenigen im Dienst Verbliebenen hatten höchstens eine Pistole bei sich, während Ibrahims Diebesbande AK-47-Sturmgewehre besaß. Schon bald begann sie mit Entführungen von Geschäftsmännern, deren Familien sie erpressten.
Zwei Jahre darauf kam Ibrahim
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