Gottes blutiger Himmel
bald solcher Methoden bedienen müssen.«
Meine Antwort erstaunte ihn nicht, er empfand sie als Ermutigung. Aber ich wusste, dass ich eines nicht allzu fernen Tages nicht zögern würde, selbst zu fragwürdigen Praktiken zu greifen, auch wenn ich damit meine Freundschaft mit Richard aufs Spiel setzen würde.
Die fünfzehnte E-Mail
Ich habe eine verrückte, aber unumkehrbare Entscheidung getroffen. Es gibt keinen anderen Ausweg.
Ich fasse mich heute sehr kurz. Meine Gedanken sind konfus, aber es stimmt mich optimistisch, dass ich noch nicht aufgegeben habe.
Ich brütete über einer Idee, die mir Zuversicht gab. Vielleicht hätte ich ja Glück. Allzu viel Hoffnung machte ich mir dennoch nicht. Ich dachte darüber nach, wie ich ins sunnitische Dreieck gelangen könnte, das von islamischen Widerstandsgruppen dominiert war, und ließ den Einfall reifen. Morgen würde ich ihn Fadhil darlegen und ihn nach seiner Meinung fragen.
Am Abend ging ich in Millers Wohnwagen, wo ich hoffte, Ablenkung zu finden. Ich traf dort auf Jonathan und Damey, die Vertreterin der Menschenrechtsorganisation, in der Gesellschaft eines etwa siebzehnjährigen Jungen. Ich vermutete gleich, dass er mit der Sache zu tun hatte, die Jonathan und Damey bearbeiteten, und ich behielt recht. Die beiden informierten mich, dass die Lage der verfolgten Homosexuellen immer schwieriger wurde. Das Weiße Haus und das britische Außenministerium zeigten nur noch wenig Interesse an der Sache und wollten die Drohungen gegen die jungen Männer nicht offiziell verurteilen, um die irakischenGlaubensgruppen nicht zu provozieren. Man befürchtete, dass dies die Schiiten und die Sunniten gleichermaßen verärgern und zu einem Unfrieden führen würde, den die Amerikaner nicht gebrauchen konnten. Die Besatzer würden beschuldigt werden, gegen Verbote des islamischen Gesetzes einzutreten, schließlich war Homosexualität diesem zufolge eine Todsünde. Und wenn die Schiiten nachlässig wären, würden die Sunniten sich an der Sache festbeißen, und schließlich würden sich beide den Rang streitig machen, wer sich des Themas am radikalsten annahm. Man wollte die Sache daher lieber nicht an die Öffentlichkeit zerren.
Um das Leben der Betroffenen zu schützen, beschlossen Jonathan und Damey, die Angelegenheit in eigener Regie und in aller Stille zu regeln. Sie wollten zunächst in Erfahrung bringen, wie viele junge Männer Morddrohungen erhalten hatten, um für diese dann eine Rettungsaktion einzuleiten. Damey konnte einen von ihnen, Salman, dazu überreden, mit ihr zu kommen. Sie hatte bereits vorher davon gesprochen, was für ein hübscher Kerl er sei, und gescherzt, sie habe sich in ihn verliebt. Hier saß er nun. Damey hatte es geschafft, Salman aus seinem Wohnviertel in die Grüne Zone zu begleiten, und ihm versprochen, ihn auch heil wieder nach Hause zu bringen. Aber zuerst sollte er berichten, wer von seinen Freunden noch Drohbriefe erhalten hatte und wie man sie kontaktieren könnte. Sie und Jonathan würden ihnen jeweils eine Unterkunft besorgen und dann Asyl für sie in einem europäischen Land erwirken.
Salman trug eine Wuschelfrisur, mit der er gehofft hatte, unterwegs nicht erkannt zu werden, und weite Kleider, die um seinen knochigen, nur an der Brust etwas kräftigeren Körper schlabberten. Die großen Augen unter ebenmäßig gewölbten Brauen waren weit geöffnet, in seinen Gesten lag etwas Zartes und Erotisches, und er sprach trotz der Furcht,die sich auf seinem Gesicht abzeichnete, in sanftem Ton. Seine feingliedrigen Hände zitterten etwas, wogegen er nicht ankam. Ich musste es Damey nachsehen, der Junge war tatsächlich bezaubernd. Er bat: »Damey, lassen Sie mich heute hier übernachten. Ich kann auf dem Boden schlafen.« Damey bat Jonathan, es ihm zu erlauben, aber Jonathan bestand darauf, ihn nach Hause zu bringen, damit er seine Freunde unterrichten konnte, wo sie sich am nächsten Tag versammeln würden. Jonathan hatte einen Plan: Die Jungen sollten sich in einer Moschee außerhalb ihres Wohnbezirks treffen. Gegen Mittag kämen dann ein amerikanisches Panzerfahrzeug und ein Transporter vorbei, und Soldaten würden sie an einen sicheren Ort in der Grünen Zone bringen. Dazu würden sie die Moschee stürmen und sie hart anfassen, damit es den Anschein hätte, die Amerikaner würden irgendwelche Verdächtigen festnehmen.
»So haben die Familien keine Repressalien durch die Fanatiker zu befürchten«, erklärte Jonathan die Aktion. »Sie müssen
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