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Gottes erste Diener

Gottes erste Diener

Titel: Gottes erste Diener Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter de Rosa
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und mit
einem Christen verheiratet. Auch ihr Vater war Christ, doch ihre Mutter hatte
jüdische Vorfahren. Als Elvira elf war, hatte ihre Mutter sie gelehrt,
Schweinefleisch zu verabscheuen; danach wurde ihr übel, wenn sie versuchte, es
zu essen. Ihre Mutter hatte sie auch gelehrt, samstags die Unterwäsche zu
wechseln. Für ein junges Mädchen hatte nichts von alledem religiöse Bedeutung.
    Die beiden Arbeiter, die in
ihrem Haus wohnten, denunzierten ihre »jüdischen Angewohnheiten« bei der
Inquisition. Sie meinten es wahrscheinlich nicht böse. Sie hatten Angst,
automatisch exkommuniziert zu werden, wenn sie verdächtiges Verhalten nicht
angaben. Durch ihre Meldung gewannen sie sogar drei Jahre Ablaß. Die Zeugen
sagten übereinstimmend, daß Elvira gut zu jedermann war und regelmäßig zur
Messe und Beichte ging.
    Der offizielle Prozeß wurde am
6. April eröffnet. Ihr gegenüber saßen zwei Dominikaner und ein bischöflicher
Vikar. Sie wurde gewarnt, sie würde gefoltert, wenn sie nicht die ganze
Wahrheit sagte. Sie blieb dabei, daß sie nichts wußte. Sie fiel auf die Knie
und bettelte, man möge ihr sagen, was sie bekennen sollte, und sie würde es
gern bekennen. Die Inquisitoren wiederholten, sie wisse, welches Unrecht sie
getan habe. »Sag die Wahrheit.«
    Da sie ihre Unschuld beteuerte,
wurde sie zur Folterkammer geschleppt und nackt ausgezogen. Man gab ihr zaraguelles oder panos de la verguenza, eine kleine Hose, um ihre Scham zu bedecken.
    »Señores«, schrie sie, »ich
habe alles getan, was Sie sagen, und ich gebe falsches Zeugnis gegen mich
selbst.«
    Damit waren die Richter nicht
zufrieden. »Sag die Wahrheit.«
    Ihre Arme wurden gebunden, die
Stricke schmerzhaft zugedreht.
    »Ich habe alles getan, was Sie
sagen«, erklärte Elvira.
    »Wir wollen Einzelheiten.«
    »Ich habe kein Schweinefleisch
gegessen, weil mir davon übel wurde, Señores. Ich habe alles getan; bindet mich
los, und ich werde die Wahrheit sagen.... Sagt mir nur, was ich sagen muß.«
    Die Stricke wurden angezogen,
bis sie schrie, sie brächen ihr die Arme. Bei der sechzehnten Drehung rissen
die Stricke. Auf ein Nicken des Inquisitors brachten die Henker sie zum potro, einem Gestell mit scharfkantigen Sprossen wie eine Leiter. Es stand schief, so
daß ihr Kopf tiefer lag als ihre Füße. Während sie in dieser Stellung gefesselt
wurde, wurden die Halseisen an ihren Gliedern verengt.
    »Señores«, flehte sie,
»erinnert mich an das, was ich nicht wußte.... Sie reißen mir die Seele
heraus.«
    »Sag die Wahrheit.«
    »Ich habe das Gesetz
gebrochen«, sagte Elvira verzweifelt.
    »Welches Gesetz?«
    »Ich weiß es nicht, Señor. Sagt
Ihr es mir.«
    Ein weiteres Nicken, und der
Henker zwang den Mund der Gefangenen mit einem bostezo, einer eisernen
Zange auf. Eine toca, ein Stück Leinen, wurde ihr in den Hals gestoßen.
»Nehmt es weg«, schrie sie. »Ich ersticke, und mir ist übel.«
    Langsam goß der Henker Wasser
aus einer Literkanne auf die toca, so daß es ihr den Hals
hinuntertropfen konnte. Einige Gefangene bekamen sechs bis acht Kannen
hinuntergegossen und erstickten daran. Elvira versuchte zu sagen, sie sterbe.
Als die toca entfernt wurde, war sie still, entweder weil sie nichts zu
sagen hatte, oder weil sie nicht sprechen konnte. Die Folter wurde für vier
Tage unterbrochen.
    Bis dahin war Elvira an jedem
Glied steif geworden. In der Einzelhaft war ihr Schrecken gewachsen, während
sie die nächste Sitzung erwartete. Kaum war sie in der Folterkammer, brach sie
zusammen und bat, ihre Nacktheit bedeckt zu bekommen. Von da an war ihre Rede
zumeist unzusammenhängend .
    Am Ende gelang es den
Inquisitoren, ihr abzupressen, daß ihre Weigerung, Schweinefleisch zu essen,
und ihr samstäglicher Kleiderwechsel der Beweis ihres Judentums sei. Sobald ihr
klar war, was von ihr erwartet wurde, war sie erleichtert, ihre Abtrünnigkeit
gestehen und um Gnade flehen zu können.
    Ein Richter war dafür, sie zu
verbrennen. Dies war die Höchststrafe. Die Kleriker konnten das Verbrennen
sanktionieren, wollten aber nichts mit dem Schwert zu tun haben, weil die Bibel
Blutvergießen verbot. Wenn ein Gefangener bereute, wurde sein Eigentum
konfisziert, und er wurde eingekerkert. Wenn das lebenslänglich in den
Verliesen der Inquisition bedeutete, dauerte es wegen der dort herrschenden
Bedingungen gewöhnlich nicht lang. Manchmal wurde man für eine bestimmte Zeit zu
Gefängnis verurteilt. Die Mindeststrafe war »das Kreuz der Schande«. Zwei
Kreuze

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