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Gottes erste Diener

Gottes erste Diener

Titel: Gottes erste Diener Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter de Rosa
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die Verdächtigen«, sagte Paul, »sind zu verhaften und vor
Gericht zu stellen bis zum endgültigen Urteil (Tod).« Carafa hatte den Befehl
buchstabengetreu ausgeführt. Der Papst wurde nicht belästigt, obwohl er ein
hervorragender Kandidat für Nachforschungen war — mit seiner Mätresse, seinen
unehelichen Kindern, seinen Geschenken von roten Hüten an seinen Enkel und
seine Neffen, die vierzehn und sechzehn Jahre zählten. Im abschließenden Consilium oder Ratschlag an Papst Paul gab es tatsächlich offene Kritik an päpstlichem
Absolutismus, Simonie, Mißbräuchen in der Verleihung von Bischofsämtern an
unwürdige Kandidaten und vielem mehr. Unglücklicherweise für den Vatikan wurde
dies Dokument bekannt. Die Protestanten lasen es mit Entzücken, weil es alles
bestätigte, was sie je über das Papsttum gesagt hatten.
    Als Carafa Papst wurde, hatte
er keine Wahl, als das Consilium , das er geschrieben hatte, auf den
Index zu setzen.
    Ein anderes Beispiel
unabsichtlichen Humors hatte mit dem Decamerone zu tun. Cosimo de’
Medici, der Gründer der Medici-Monarchie, wies später darauf hin, daß dies ein
seltener Prosaklassiker auf italienisch war. Er fragte den herrschenden
Oberhirten, ob man einen Weg finden könne, es vom Index zu nehmen. Das Ergebnis
war, daß das Unmögliche geschah. Eine gereinigte Fassung erschien 1573 unter
Papst Gregor XIII. Gregor hatte einen Sohn, Giovanni Buoncompagni, an dem er
sehr hing und den er zum Kardinal machte, und er war toleranter als Paul IV.
Die neue Version von Boccaccios Meisterwerk muß man einfach anerkennen als das bei
weitem seltsamste und höchstempfohlene »unanständige« Buch der Geschichte. Es
hatte eine päpstliche Bulle als Vorwort und ein doppeltes Imprimatur: eines vom
obersten Gericht der Inquisition, das andere vom Generalinquisitor von Florenz,
sowie Beiträge von etlichen Staatsoberhäuptern, darunter den Königen von
Frankreich und Spanien.
    Woher soviel Beifall? Die
Antwort ist, daß der Zensor, Vincenzo Borghini, schon recht genial war. Er
setzte nur hier und da die Schere an und bereinigte ansonsten das ganze Buch
mit einer sehr einfachen Methode: Jeder Kleriker, der in Boccaccios Text
schlecht wegkam, wurde durch einen Laien ersetzt.
     
    Die weniger amüsante Seite des
Index war, daß zur Zeit Pauls IV. soviel Bücher verbrannt wurden, daß die
Drucker um ihren Lebensunterhalt fürchten mußten. Autoren, denen ihre Haut lieb
war, stellten das Schreiben ganz ein. Freiheit des Denkens und Ausdrucks endete
in Italien und sollte niemals wiederkehren. Die Wirkung dieser Entwicklung auf
die Kurie, und über die Kurie auf die katholische Kirche, war unabsehbar.
    Ein umfassenderer Index wurde
vom Konzil von Trient 1564 erarbeitet. Unter zehn Rubriken wurden Werke
gebannt. Sieben Jahre später wurde in Rom eine Index-Kongregation eingerichtet,
die jahrhundertelang regelmäßig neue Listen verbotener Bücher herausgab. Kaum
ein Klassiker blieb verschont. So war die Gegenreformation von einer
engstirnigen Zensur geleitet, von der die Überreste noch heute in katholischen
Büchern zu sehen sind, die ein Imprimatur tragen. Ein Buch von einem Ordensangehörigen
hat wahrscheinlich die Namen von fünf Zensoren auf dem Umschlagblatt. In dieser
Situation wird eine machtvolle Selbstzensur wirksam. Dieser
Unterdrückungsapparat, der totalitären Regimes so teuer ist, hat dem Geist der
freien Forschung in der Kirche großen Schaden zugefügt. Dies erklärt, warum in
so vielen Bereichen — Theologie, die Bibel, selbst Naturwissenschaften —
Beiträge von Katholiken hinter der übrigen akademischen Welt hergehinkt sind.
Forschung verkümmert in einem Klima der Angst. Generationen von Studenten,
Wissenschaftlern und auch Bischöfen durften entscheidende Bücher nicht lesen,
weil sie auf dem Index waren. Die Fälschungen, die zur Schaffung des
päpstlichen Systems beigetragen hatten, etwa die Dekrete des Pseudo-Isidorus, die
unechten Texte, auf die Gratian und Thomas von Aquin hereinfielen, wurden vom
Index geschützt, wenigstens bis 1660 ein französischer Gelehrter begann, die
Wahrheit über sie zu sagen. Natürlich wurde auch er auf den Index gesetzt. Erst
1789 gab Pius VI. auf eine Anfrage von deutschen Bischöfen zu, daß die Dekrete
gefälscht waren. Das Eingeständnis war seit neun Jahrhunderten überfällig. Wie
Lea 1883 in seinen Studies in Church History schreibt:
     
    Nicht
die geringste Sorge einer unfehlbaren Kirche ist, daß sie keine je

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