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Gottes erste Diener

Gottes erste Diener

Titel: Gottes erste Diener Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter de Rosa
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Bedürfnis einer Vermittlung zum Vermittler durch eine heilige und
mächtige Instanz. Der Aufstieg der Mariologie ging mit dem Niedergang der
Christologie einher.
    Maria war die Mutter Christi,
sie hatte ihn in ihren Armen gehalten. Ihre Tugend war immer gepriesen worden.
In den Zeiten der Kirchenväter wurde sie als Vorbild der Jungfräulichkeit
gesehen. Nun sollte sie eine noch wichtigere Rolle spielen.
     
    In der Mitte des zwölften
Jahrhunderts wurde in Lyon die Empfängnis der Jungfrau mit einem neuen Fest
geehrt.
    Der hl. Bernhard von Clairvaux
war entsetzt. Er schrieb an die Domherren von Lyon und warnte sie, ihr Argument
für Marias sündlose Empfängnis wäre auf all ihre Vorfahren anzuwenden, männliche
wie weibliche. Sie würden gezwungen sein, eine ganze Linie — eine Art
unendliche Regression — von Vorfahren Mariens zu postulieren, die alle
unbefleckt empfangen waren. Und damit wäre der Alptraum nicht zu Ende. Wenn sie
alle unbefleckt empfangen waren, mußten sie alle von Jungfrauen geboren sein.
Bernhard folgte den Kirchenvätern in seinen Ansichten zum Geschlechtsverkehr.
Er ging immer mit Sünde einher. Deshalb fragt er die Prälaten Lyons: »War der
Heilige Geist an der Sünde der Konkupiszenz (bei Marias Eltern) beteiligt? Oder
sollen wir annehmen, daß die Sünde der Fleischeslust nicht vorhanden war?«
Bernhard wiederholt einfach Gregors Argument: Sex heißt Fleischeslust. Maria
stammte aus einer geschlechtlichen Vereinigung, sie war in Sünde empfangen. Er
meinte, Maria sei geheiligt geboren. Ein Fest Mariä Geburt sei angebracht,
nicht aber Mariä Empfängnis.
    Petrus Lombardus, der
einflußreichste mittelalterliche Theologe vor Thomas von Aquin, folgte dem
griechischen Kirchenvater Johannes Damascenus. Maria war in Erbsünde empfangen
und nicht von ihr gereinigt, bevor sie zustimmte, den Heiland zu gebären.
Innozenz III. billigte diese Ansicht. Selbst dies hielt die Verbreitung des
neuen Kultes nicht auf, nicht einmal in Rom selbst.
    Bonaventura, der Doctor seraphicus
des dreizehnten Jahrhunderts, verneinte, daß Maria frei von Erbsünde sei. Sein
Zeitgenosse Thomas von Aquin, der Doctor angelicus, war der gleichen Meinung.
Er folgte Aristoteles, der sagte, die Beseelung des Ungeborenen sei ein
gradueller Prozeß. Zuerst ist der conceptus vegetativ. Deshalb war für
Thomas die Idee der Unbefleckten Empfängnis etwa so verständlich wie die einer
sündenlosen Karotte. Er glaubte allerdings, daß Maria zu irgendeiner nicht
näher bestimmten Zeit vor der Geburt geheiligt worden war.
    Die Dominikaner waren mit ihrer
Galionsfigur Thomas von Aquin einig, und auch die Franziskaner waren es eine
Zeitlang. Im 14. Jahrhundert hatte Bischof Pelayo, der franziskanische
Beichtvater Johannes’ XXII., keinen Zweifel daran, daß Maria in Erbsünde
empfangen sei.
    Dennoch nahm der Kult zu, und
zum erstenmal unterstützte ihn ein Theologe von Format, der Franziskaner Duns
Scotus. Das Problem des Doctor subtilis war, wie Maria unter den Erlösten sein
konnte, wenn sie keine Erbsünde hatte, von der sie erlöst wurde. Seine Lösung
basierte auf dem Prinzip »Vorbeugen ist besser als Heilen«. Maria wurde nicht
von der Sünde geheilt, sondern durch die vorausgesehenen Verdienste Christi
davor bewahrt, sündig zu werden. Dies hält einer Untersuchung kaum stand. Ein
Neugeborenes kann gegen Diphtherie, Tetanus, Polio u. ä. geimpft werden. Durch
Fortschritte der Medizin werden möglicherweise einmal einige Impfungen vor der
Geburt vorgenommen, wenn das Kind noch im Mutterleib ist. Doch wie kann ein
Kind vor der Empfängnis geimpft werden? Laut Scotus war Maria gegen Erbsünde
»geimpft«, bevor sie empfangen war. Wahrscheinlich hätte man von dieser
merkwürdigen Ansicht nichts mehr gehört, wenn nicht Pius IX. sie benutzt hätte,
um seine unfehlbare Definition von der Unbefleckten Empfängnis Mariens zu
untermauern.
    Nachdem Scotus die Thomas
entgegengesetzte Meinung vertrat, wurde Partei ergriffen. Franziskaner und
Dominikaner fochten blutige Schlachten, nicht nur auf dem Papier. Kaiser mischten
sich ein, etwa Karl VI., der die Dominikaner aus Paris vertrieb und jeden auf
der Straße verhaftete, der die Unbefleckte Empfängnis leugnete.
    Jahrhundertelang gingen die
Auseinandersetzungen und Rangeleien weiter. Jede Partei prangerte die andere als
häretisch an. Wenn je eine päpstliche Entscheidung nötig war, um den Streit zu
beenden, dann jetzt. Es gab gute Gründe dafür, daß sie nicht kam. Die

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