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Gottes erste Diener

Gottes erste Diener

Titel: Gottes erste Diener Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter de Rosa
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aber als
theologische Meinung; d. h. nicht als Gewißheit, sondern als
Wahrscheinlichkeit.«
    In den USA war vor dem
Vaticanum I Pfarrer Stephen Keenans sehr beliebter Controversial Catechism im Druck. Er trug das Imprimatur des Erzbischofs Hughes von New York. Hier ein
Auszug. »Frage: Müssen Katholiken nicht glauben, der Papst selbst sei
unfehlbar? Antwort: Dies ist eine protestantische Erfindung, es ist kein
katholischer Glaubensartikel. Keine Entscheidung von ihm kann bei Strafe der
Häresie binden, wenn sie nicht vom Lehrkörper, d.h. den Bischöfen der Kirche,
angenommen und durchgesetzt wird.« Es war schon etwas peinlich, als 1870 eine
»protestantische Erfindung« definierter katholischer Glaube wurde. Die nächste
Ausgabe des Catechism zog diese Frage ohne ein Wort der Erklärung
zurück.
    Als Pius IX. sich 1854 vor
allem die Unterstützung der italienischen und anderen romanischen Bischöfe
sicherte, kanonisierte er bereits »die italienische Lehre« der päpstlichen
Unfehlbarkeit.
    Die Art, in der die Unbefleckte
Empfängnis verkündet wurde, war einzigartig. Sie kam nicht von einem
Allgemeinen Konzil, sondern vom Oberhirten allein. Zehn Jahre später nannte der
jesuitische Theologe Clemens Schräder die Definition einen Akt, der typisch für
das Pontifikat Pius’ IX. war und zu dem kein früheres Pontifikat eine Parallele
aufweisen konnte.
    Die stark umstrittene Lehre der
Unbefleckten Empfängnis war nur der Versuchsballon für die Definition der
päpstlichen Unfehlbarkeit von 1870. Was allen Bischöfen, die gegen die Definition
von Vaticanum I waren, nicht schmeckte, war die Tatsache, daß Pius IX. sechzehn
Jahre zuvor schon im Angesicht der ganzen Welt diese Macht ausgeübt hatte—und
daß sie nichts dagegen unternommen hatten. Pius IX. hatte die Unfehlbarkeit der
Kirche zu einem persönlichen Privileg gemacht, das unabhängig von Kirche oder
Konzil gebraucht wurde.
    Nach 1854 mußten die
Dominikaner sich geschlagen geben. Keine Erscheinungen der Seligen Jungfrau
konnten ihnen noch helfen.
    Die nichtkatholischen Christen
waren noch bestürzter. Die Definition bestätigte ihre schlimmsten Befürchtungen
über das Papsttum. Die Unbefleckte Empfängnis war kein frommer Glaube mehr, den
Katholiken in Freiheit annehmen oder ablehnen konnten. Sie waren nun mit
Exkommunikation bedroht, wenn sie nicht daran glaubten oder auch nur ihre
Zustimmung nicht gaben. Ohne einen ausdrücklichen Akt des Glaubens daran, sagte
Pius IX. ihnen, konnten sie nicht erlöst werden. Andersdenkende »sind durch ihr
eigenes Urteil verdammt, haben im Glauben Schiffbruch erlitten und sind von der
Einheit der Kirche abgefallen«.
    Es war nicht nötig für den
heiligen Papst Gregor den Großen, die Kirchenväter, die Heiligen Anselm,
Bernhard, Bonaventura, Thomas von Aquin — die es leugneten. Auch nicht für
Irenäus, Hieronymus, Chrysostomos, die wie Petrus und Paulus nie davon gehört
hatten. Über achtzehneinhalb Jahrhunderte nach Mariä Empfängnis war es
häretisch zu leugnen, daß sie unbefleckt empfangen war. Diese nebensächliche
Meinung war nun so wichtig für das Seelenheil wie der Glaube an die
Dreifaltigkeit, die Gottheit Christi, die Versöhnung und die Auferstehung.
    Absolute Macht hatte sich eine
absolute »Wahrheit« zurechtgemacht; und andere Christen fanden eine weitere,
himmelhohe Barriere zwischen sich selbst und der römischen Kirche. Einige
fragten, wohin das führen würde. Vielleicht würde ein künftiger Papst
definieren, auch Maria sei jungfräulich empfangen. Der phänomenale Aufstieg der
Unbefleckten Empfängnis von kategorischer päpstlicher Ablehnung bis zur
päpstlichen Definition zeigt, daß nichts unmöglich ist. Denn in dieser Frage
widersprach der Papst grundlegenden Prinzipien: daß die Evangelien die Basis
des Glaubens sind; daß keine Einzelperson, nicht einmal der Papst, katholische
Lehre beschließen kann, weil dazu das ganze Episkopat — im Konzil oder in
seiner allgemeinen Lehre — als Repräsentant für den Glauben der Kirche
notwendig ist; daß der Katholizismus mit einer Tradition, die aus der Zeit der
Kirchenväter stammt, nicht so leichtfertig umgehen kann. Gegen all dies konnte
Pius IX. nur sagen: »Die Tradition bin ich.«
    So freundlich er als Mensch war
— er sollte sich als der selbstherrlichste Papst seit dem Mittelalter erweisen.
     
    Die Definition der Unbefleckten
Empfängnis war nicht nur in Inhalt und Methode der Verkündigung außergewöhnlich.
Trotz ihrer scheinbaren

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