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Gottes erste Diener

Gottes erste Diener

Titel: Gottes erste Diener Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter de Rosa
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Schrift
sagte nichts über Unbefleckte Empfängnis; die Kirchenväter waren alle dagegen;
bis Scotus hatte sie nicht ein Theologe von Rang angenommen, und die größten
hatten sie abgelehnt. Doch für sie sprach eine mächtige Strömung der
öffentlichen Meinung.
    Sixtus IV. befahl, das Fest
Mariä Empfängnis in allen Kirchen zu feiern; dazu gab er — kostenlos — einen
besonderen Ablaß. Das verschärfte die Kontroverse zwischen Dominikanern und
Franziskanern. Um sie zu beenden, schrieb er eine weitere Bulle. Das Fest ehre
Mariä Empfängnis, sagte er, nicht ihre Heiligung. Die Dominikaner müßten dies
akzeptieren, oder sie würden exkommuniziert; doch wenn die Franziskaner sich
über die Dominikaner ins Fäustchen lachten, würden sie exkommuniziert. Diese
Bulle wurde von Alexander VI. Borgia bestätigt. Doch Borgia, ein Realist,
drohte den Ordensbrüdern mit der Armee, wenn sie nicht friedlich wären.
    Die Dominikaner blieben
unerschütterlich. Ihre Galionsfigur Thomas hatte sich gegen die Unbefleckte
Empfängnis ausgesprochen, und hatte nicht Johannes XXII., der von seinen
Ansichten zum Papsttum entzückt war, gesagt, es komme der Häresie gleich,
irgend etwas zu leugnen, das Thomas sagte? So wurden die Dominikaner, obwohl
sie die Frömmigkeitsübung des Rosenkranzes verbreiteten, von den Franziskanern
unbarmherzig als »Makulisten« (Vertreter einer befleckten Empfängnis) verhöhnt.
    Dann kam ein Ereignis, das die
Waagschale zugunsten der Dominikaner zu senken schien.
    Im Jahr 1507 erschien Maria
einem einfachen Dominikaner in einem Berner Kloster, Bruder Letser. Sie
offenbarte Letser ihren Ärger über die Franziskaner, weil sie ihre angeblich unbefleckte
Empfängnis lehrten. Sie bestätigte Letser, daß sie in Erbsünde empfangen war.
Erst drei Stunden nach der Empfängnis war sie geheiligt worden. Die Ansicht des
hl. Thomas von Aquin war, versicherte sie, vollkommen orthodox in diesem wie in
allen anderen Punkten. Um die Zuverlässigkeit dieser Vision zu beweisen, gab
Maria dem Bruder ein Kreuz mit Blutflecken von Jesus, dazu drei Tränen, die
Jesus über Jerusalem vergossen hatte. Auch händigte sie ihm einen Brief an den
regierenden Papst, Julius II., aus, der zu jener Zeit mit dem Schwert in der
Hand an den italienischen Kriegen teilnahm. Die Erscheinung war die Sensation
des Tages. Menschenmengen strömten zum Konvent in Bern. Bruder Letser war ein
guter Mann für Marienerscheinungen: Er war keusch, er fastete, er geißelte
sich, er fiel leicht in Ekstase, er entwickelte die Stigmata — die Wundmale des
Gekreuzigten an Händen und Füßen, die viele Heilige beglaubigt haben. In der
Konventskapelle war ein Standbild der Jungfrau, das ständig über die Irrtümer
der Franziskaner weinte; sie flehte Maria an, ihre Befleckte Empfängnis zu
glauben.
    Dann geschah aus heiterem
Himmel etwas noch Überraschenderes. Bruder Letser selbst erschien. Er erschien
nämlich vor dem Berner Magistrat und bat um Asyl. Seine Oberen, behauptete er,
folterten ihn und versuchten, ihn zu vergiften. Was er offenbarte, war eine
dominikanische Verschwörung.
    Die Ordensoberen hatten im
Kapitel zu Wimpffen beschlossen, die Falschheit der Unbefleckten Empfängnis mit
Hilfe eines selbstgemachten Wunders zu beweisen. Bern wurde als Schauplatz
gewählt, weil es eine große und leichtgläubige Bevölkerung hatte. Die vier
Führer des Priorats stießen auf Johannes Letser, einen kürzlich in den Orden
aufgenommenen Schneider, als passenden Visionär. Sie bereiteten ihn mit Drogen
auf seine Aufgabe vor. Letser fiel vollkommen darauf herein. Bis er eines Tages
das Zimmer des Lektors Boishorst betrat, ohne anzuklopfen, und ihn in den
weiblichen Gewändern der Seligen Jungfrau antraf. Dies war für Letser ein viel
größerer Schock als die echte Erscheinung der Jungfrau. Er wollte seinen Dienst
auf kündigen, doch weil man ihm drohte, machte er weiter, bis er es nicht mehr
aushielt.
    Die Angelegenheit kam vor die
Inquisition. Letser und die vier Verschwörer wurden gefoltert. Die letzteren
bekannten, daß sie eine Hostie rot gefärbt, die Statue mit nassen Schwämmen zum
Weinen gebracht und Bruder Letser die Wundmale mit einem Pinsel aufgemalt
hatten.
    Obwohl die vier verbrannt
wurden, erklärte der Orden der Dominikaner sie zu Märtyrern der guten Sache.
Sie schlugen zurück, indem sie ein Handbuch aller großen Denker der Kirche
veröffentlichten, die gegen die Unbefleckte Empfängnis gewesen waren. Es
beinhaltete die meisten

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