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Gottes erste Diener

Gottes erste Diener

Titel: Gottes erste Diener Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter de Rosa
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persönlich angeht, so könnte mir nichts
Angenehmeres geschehen.« Seine Eminenz setzte sich in atemlosem Schweigen.
    Ein drittesmal wurde
abgestimmt. Rampolla hatte nicht eine einzige Stimme verloren. Es war Gotti,
dem das Veto schadete. Es war bekannt, daß er hinter Österreich stand, während
Rampolla als Freund Frankreichs galt. Gotti bekam neun Stimmen, Sarto aber, der
Außenseiter, schnellte auf einundzwanzig empor.
    Der nächste Wahlgang folgte.
Dreißig für Rampolla. Gotti war mit drei Stimmen abgeschlagen. Sarto war auf
vierundzwanzig gekommen.
    Als die Kardinäle an jenem
zweiten Abend zu Bett gingen, wußten sie, daß Krakaus Intervention trotz aller
Unwürdigkeit den Verlauf der Wahl verändert hatte. Es war offenbar geworden,
daß die Wahl Rampollas zu einer Feindseligkeit zwischen zwei traditionell
katholischen Mächten führen würde. Unter diesen Umständen war es unumgänglich,
einen Kompromißkandidaten zu wählen. Die nächste Runde, schätzten sie, würde
die entscheidende sein. Sie war es denn auch.
    Von dem Moment an, als Sarto
mit siebenundzwanzig drei Stimmen mehr als Rampolla bekam, wußte jeder, daß er
Papst werden würde. Wenn er nur dazu bereit war.
    Jahrhunderte zuvor hatten
Kanoniker die Kriterien erarbeitet, nach denen man Papst wurde. Das Problem
war: Wenn der Papst allein die Fülle der Macht hat, wie kann diese ihm von der
Kirche verliehen werden, sei es durch Kardinäle oder wie früher durch die
Kleriker und Laien Roms? Die bevorzugte Antwort war: Durch die Abstimmung
bezeichnet das Heilige Kollegium nur den Kandidaten. Es braucht die Zustimmung
des Benannten selbst, damit Gott ihm die Fülle der Macht direkt verleiht. Die
Frage war jetzt nur, ob Sarto annehmen würde oder nicht.
    Monsignore Merry del Val, der
achtunddreißigjährige Sekretär des Konklave, gebürtiger Engländer und
spanischer Abstammung, wurde zu Sarto gesandt, um ihn zur Annahme zu bewegen.
Als er ihn fand, war das Gesicht des Kardinals tränenüberströmt; seine Bedenken
waren eher noch stärker geworden. Doch beim nächsten Wahlgang hatte er mit
fünfunddreißig Stimmen mehr als doppelt so viele wie Rampolla.
    Am vierten Morgen, beim siebten
Wahlgang, hatte Sarto fünfzig Stimmen; er war Papst, wenn er nur zustimmte.
Kardinal Gibbons von Baltimore, der Rom schockiert hatte, als er in einem
schwarzen Anzug mit einem Strohhut über seinem roten Käppchen ankam, war unter
denen, die ihn dazu drängten. In Seelenqual stimmte Sarto zu; er nahm den Namen
Pius X. an, denn er assoziierte seine Vorgänger dieses Namens mit Leiden.
    Merry del Val, der bald
Staatssekretär werden sollte, gab schon damals Kardinal Puszyna eine Abreibung.
Es wurde gesagt, nie, nicht einmal in den idyllischen Tagen Alexanders VI., sei
die Luft der Borgiagemächer so blau gewesen.
    Der neue Oberhirte, Gefangener
im Vatikan, gab seinen Segen nicht vom Balkon über dem Petersplatz, sondern von
der inneren Loggia des Petersdoms. Die Symbolik sollte sich als entscheidend
erweisen: Im Augenblick der Amtsübernahme wandte er der Welt den Rücken. Wie
Kardinal della Chiesa, der künftige Benedikt XV., sofort bemerkte, sah Pius X.
Pius IX. unheimlich ähnlich.
     
     
    Einfache Herkunft
     
    Giuseppe Sarto wurde 1834 in
der kleinen norditalienischen Provinzstadt Riese als
Sohn eines Arbeiters geboren. Er war das zweite von zehn Kindern. Sein Vater
fegte das Rathaus aus. Der kleine Giuseppe sollte unfehlbar werden und die Kirche
der Welt ausfegen.
    Der Junge war fromm, zärtlich,
schlank, lockenköpfig und liebte seine Mutter innig. In jenem Alter fühlte er
sich zum Priester berufen, und er trat in das Knabenseminar von Castelfranco
ein. Oft ging er mit seinen großen, bloßen Füßen die sieben Kilometer dorthin
und zurück, um Schuhleder zu sparen.
    Nie änderte er seine einfache
Lebenshaltung; er hatte eine natürliche Güte. Das höhere Seminar besuchte er in
Padua; dort bekam er die übliche Kurzausbildung in mittelalterlicher Philosophie
und Theologie. Im Jahr 1858 wurde er mit dreiundzwanzig Jahren zum Priester
geweiht. Danach war er neun Jahre lang Hilfspfarrer in Tombolo — er versetzte
seine Uhr, um die Hungrigen zu speisen. Weitere neun Jahre war er
Gemeindepfarrer in Salzano — seine Tür war nie geschlossen —, bis er mit
einundvierzig Diözesankanzler in Treviso wurde. Er wohnte im Seminar in einem
Zimmer mit Blick auf die farbenfrohe Ebene. Er war zufrieden in seinem Dienst.
Er war bekannt für seine Güte und seine

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