Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gottes erste Diener

Gottes erste Diener

Titel: Gottes erste Diener Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter de Rosa
Vom Netzwerk:
Junggesellenpsychose von Menschen sind,
die mit diesem Teilbereich des Lebens nicht vertraut sind? Führen wir nicht
vielleicht unbewußt eine manichäische Vorstellung vom Menschen und von der Welt
ein, bei der das Werk des Fleisches, in sich lasterhaft, nur im Hinblick auf
Kinder geduldet wird? Ist die äußerliche, biologische Richtigkeit eines Aktes
das einzige Kriterium der Moral, unabhängig vom Familienleben, von seinem
moralischen und familiären Klima und von den ernsten Geboten der Klugheit, die
die Grundregel all unseres menschlichen Handelns sein müssen?
     
    In diesen kurzen Ausführungen
sprach der Patriarch jedes Thema an, das der katholischen Kirche über die
nächste Generation und wahrscheinlich über das nächste Jahrhundert zu schaffen
machen sollte. Die Unterscheidung, auf der die kirchliche Opposition gegen
Geburtenkontrolle beruhte, der Hauptzweck und die Nebenzwecke der Ehe, sei
nicht biblisch. Es kam', sagte er, von einer Furcht vor der Leiblichkeit, einem
fast manichäischen Haß gegen das Fleisch, verstärkt durch eine
Junggesellenpsychose, derzufolge Fortpflanzung die einzige Rechtfertigung für
Sex sei. Diese Forderung der Ehelosen nach mehr Kindern werde ohne Rücksicht
auf die existierenden familiären Verpflichtungen der Partner erhoben. Ihr Folge
zu leisten, meinte der Patriarch, sei die Verleugnung einer Kardinaltugend, der
Klugheit, an der alle Moral zu messen sei. Es gibt keinen Beleg dafür, daß
Jesus auf Unklugheit besteht. Dann sagte Maximos, als Grundlage der Sexualmoral
sollte ein biologisches und nicht moralisches Kriterium verwendet werden.
    Er war noch nicht fertig, ist
es nicht offensichtlich, sagte er, daß die Kirche viel zu lange die Eheexperten, nämlich hervorragende verheiratete Christen, ausgeschlossen hat?
Außerdem, warum hat das Konzil unsere getrennten Brüder gelobt, wenn es ihre
Erfahrung als Eheleute und auch als Kirche abschreibt? Dies ist kein
katholisches Problem, sondern ein Menschheitsproblem. Er schloß:
     
    Laßt
uns die Augen öffnen und praktisch sein. Laßt uns die Dinge sehen, wie sie
sind, und nicht, wie wir sie gern hätten. Sonst laufen wir Gefahr, in der Wüste
zu predigen. Was auf dem Spiel steht, ist die Zukunft der Sendung der Kirche
für die Welt.
     
    Mit diesem dramatischen Akzent
setzte sich der alte Mann in einem Beifallssturm, den der Moderator sofort
erstickte.
    Nun war die Reihe zu sprechen
an einem anderen tapferen alten Mann, Kardinal Alfredo Ottaviani,
Großinquisitor, verantwortlich für das Haus des Papstes an der Ecke. Er ist als
herzloser Mann dargestellt worden. Er war alles andere als das. Er war schlicht
ein extremer Konservativer. Dieser Konservatismus von seiner strahlenden Jugend
an hatte ihn paradoxerweise dazu geführt, für eine liberale Praxis in der
Auflösung von Ehen einzutreten. Der Stellvertreter Christi, behauptete er,
hatte so unendliche Macht, daß er viel mehr Ehen auflösen könne, als man
bislang geglaubt hatte. An diesem Herbstmorgen war seine Stimmung finster.
    Etwas im Text über »die Kirche
in der modernen Welt« störte ihn. Sein Beitrag war improvisiert und zeugte von
der Tiefe seiner Sorge. Er war nicht der einzige in der Kurie, der dachte, die
Grundfesten des Glaubens seien ins Rutschen geraten. Mit immer lauter
werdender, zitternder Stimme sagte er: »Ich bin nicht einverstanden mit dem
Text, wenn er sagt, Ehepaare können selbst entscheiden, wie viele Kinder sie
haben wollen. Dies ist noch nie zuvor in der Kirche gehört worden.«
    Dies war ein bestürzendes
Eingeständnis von dem vierundsiebzigjährigen Wachhund des katholischen
Glaubens, wenn man bedenkt, was das Konzil schließlich verabschiedet hat. Die
Konzilsväter billigten die »verantwortete Elternschaft«, mit der im
Katholizismus völlig neuen Implikation, daß ein Kind zu haben unverantwortlich
sein kann, d. h. Sünde. Andererseits wußte Ottaviani, daß Pius XII. von
»geplanter Elternschaft« gesprochen hatte, als wäre sie ein Werk des Teufels.
Eine Idee, von der Ottaviani, wie er zugab, noch nie gehört hatte, sollte so zu
einem wesentlichen Bestandteil der katholischen Moral werden. Seine mit
»Nichtwissen« begründete Opposition legte nahe, daß, hätte irgendein
Moraltheologe die Idee vor dem Konzil vorgetragen, er sie als Leiter des
Heiligen Offiziums verurteilt hätte. Das führte zu der Frage: Inwieweit ist das
Heilige Offizium repräsentativ für das Denken der Kirche? Was, wenn die
»Bewahrer des Glaubens« die

Weitere Kostenlose Bücher