Gottes erste Diener
Staatssekretariat des Vatikans
abgestellt und diente dort unter zwei hochherrschaftlichen Päpsten, Pius XI.
und Pius XII. 1954 schickte ihn Pius XII. als Erzbischof von Mailand ins Exil,
vielleicht wegen seiner Sympathien für gewisse linke Elemente in der
Laienbewegung. Pius XII. machte ihn nie zum Kardinal.
Sobald Johannes XXIII. Pius
XII. folgte, erhob er Montini ins Heilige Kollegium; er war ganz oben auf
seiner Liste. Als Vaticanum II begann, war Montini der einzige beobachtende
Prälat, der im Vatikanpalast untergebracht wurde. Es schien, als wäre Johannes
klar, daß Montini sein wahrscheinlicher Nachfolger war, auch wenn er ihn als
»amletico«, hamletähnlich, beschrieb, unfähig, sich zu entscheiden.
Paul VI. war humorlos,
mittelgroß und von schlanker Gestalt; er hatte das blasse Gesicht und die
bläulichen Augen des Norditalieners — Augen, die milchig vor Schmerz wurden,
als die Jahre vergingen und die Ängste Zunahmen.
Eine seiner Prioritäten war die
Erweiterung der päpstlichen Kommission zur Geburtenkontrolle. 1964 hatte sie
über sechzig Mitglieder, ein Drittel von ihnen Priester, die übrigen Laien.
Später wurde sie noch um sechzehn Kardinäle und Bischöfe vergrößert.
Zum Entsetzen der Kurie entließ
Paul die Laien nicht. Wollte er etwa in die Fußstapfen Johannes’ XXIII. treten?
Ihr einziger Trost bestand darin, daß die Theologen, die er berief, zum größten
Teil ultrakonservativ waren. Schrecken verbreitete sich, als die drei Liberalen
begannen, »Bekehrungen« zu verzeichnen. Neue Lösungen wurden offen diskutiert,
alte Standpunkte aufgegeben. In erstaunlich kurzer Zeit waren alle Laien überzeugt
— und das war entscheidend —, daß zwischen der Kalender-Thermometer-Methode der
sicheren Tage (Knaus-Ogino-Methode, d. Ü.) und etwa einem Kondom kein
moralischer Unterschied besteht. Wenn ein Paar Geschlechtsverkehr hatte und
plante, daß Ei und Samen nicht zusammenkommen sollten, war das nach
traditionellen Prinzipien eine schwere Sünde. Es bedeutete eine bewußte
Absicht, Liebe und Vergnügen um ihrer selbst willen zu leben. Vor Pius XII.
galt dies als Form gegenseitiger Masturbation. Als Pius XII. die sicheren Tage
als Methode der Geburtenkontrolle erlaubte, gab er implizit die Fortpflanzung
als einzigen Zweck jedes einzelnen Geschlechtsaktes auf. Angesichts der
Tatsache, daß die gegenwärtige Lehre unklar war, mußte die Wahl mit Sicherheit
sein: Entweder Empfängnisverhütung zusammen mit der unfruchtbaren Zeit
verdammen, die eine als räumliche, die andere als zeitliche Barriere, oder
beide zulassen.
Überraschender als die
Bekehrung der Laien war es, daß vier Fünftel der Theologen gewonnen wurden. Sie
hielten den Wandel nicht etwa für unmöglich, sondern für notwendig. Jeder
Bereich der Forschung — Theologie, Geschichte, Demographie — wies sie in eine
Richtung: radikalen Wandel. Als Gerüchte über diese Tendenzen sich im Vatikan
verbreiteten, ergriff die alte Garde und Seine Heiligkeit eine Stimmung der
Verzweiflung. Er gab bekannt, daß er die Frage der Empfängnisverhütung aus der
Kompetenz des Konzils zurücknahm. Es war ein zu kontroverses Thema, um es vor
den Augen der Welt auszutragen, und zu peinlich, um es mit den anwesenden
Nichtkatholiken zu debattieren. Er würde die Befunde der Kommission
entgegennehmen, über sie nachdenken und seine abschließende Entscheidung
bekanntgeben.
Es war eine erstaunliche
Entscheidung im Licht der Dinge, die das Konzil von Papst Johannes über
Ehrlichkeit und Offenheit gelernt hatte; über das Lernen voneinander und die
Kirche als collegium der Liebe und Brüderlichkeit.
Dies war die Erbsünde des Konzils. Von ihr stammten all die Übel, die die Kirche in den kommenden
Jahren befielen. Selbst damals waren einige Prälaten hellsichtig genug, um
wahrzunehmen, daß Vaticanum II bereits zur Grundeinstellung von Vaticanum I
zurückgekehrt war. Der Papst war der einzige Bischof der Christenheit; die
anderen waren bestenfalls seine Beamten.
So nahm die Kirche wieder die
Haltung von nach 1870 ein: »II Papa weiß es am besten.« Die Katholiken und ein
Konzil mitten in den Beratungen hatten abzuwarten — hoffnungsvoll? sorgenvoll?
—, daß der Papst ihnen sagte, was sie denken sollten. Es war so absurd, als
wäre auf den Konzilien von Nizäa und Chalkedon die Gottheit Christi diskutiert
worden, alle Bischöfe wären versammelt gewesen und der Papst hätte sich
angeschickt, die Frage allein zu entscheiden.
Pater F. X. Murphy
Weitere Kostenlose Bücher