Gottes erste Diener
Exzellenz wußte offenbar nicht, daß Papst Innozenz III. die Magna Charta
für null und nichtig erklärt hatte.
Korrespondentenkolumnen in
aller Welt brachten meist feindselige Beiträge von Katholiken. Ein führender
englischer Laie, der Abgeordnete Norman St. John Stevas, sprach von der
»theologischen Unfruchtbarkeit der Enzyklika, ihrem Mangel an Realismus und
ihrer Unklugheit. Öffentliche Organe unserer zeitgenössischen, pluralistischen
Gesellschaft aufzurufen, empfängnisverhütende Mittel zu verbieten, offenbart
eine Ferne von den Tatsachen der heutigen Welt, die ebenso unglaublich wie bestürzend
ist.«
Den meisten katholischen
Korrespondenten erschien der päpstliche Standpunkt gleichgültig gegenüber der
riesigen Vielfalt menschlicher Zwangslagen. Die Enzyklika kümmerte sich nicht
um die Folgen des Verbots. Sie fragte nicht einmal, ob es besser ist, ein Kind
nicht zur Welt kommen zu lassen, als es verhungern oder bei der Geburt sterben
zu lassen. Viele protestierten gegen den Angriff auf die Reinheit der meisten
katholischen und praktisch aller nichtkatholischen Ehen. Einige sagten, Papst Paul
habe mehr Menschen zu einem Leben im Elend und einem häßlichen Tod verurteilt
als Hitler. Die Enzyklika würde zu neuen Ghettos und Konzentrationslagern
führen, besonders in Ländern der Dritten Welt.
Konservative Katholiken waren
begeistert. Paul hatte die traditionelle Lehre bestätigt und seine Rolle als
Lehrer absoluter moralischer Wahrheit gewahrt. Dann präsentierte der
siebenundfünfzigjährige Monsignore Ferdinando Lambruschini das Dokument in den
Medien. Er sagte, eine aufmerksame Lektüre mache deutlich, daß es nicht den
theologischen Ton der Unfehlbarkeit habe. Die Konservativen waren
niedergeschmettert. Wenn Humanae vitae die unerschütterliche Tradition
der Kirche ausdrückte, war sie doch reif für das päpstliche Siegel unfehlbarer
Billigung? Wenn nicht in dieser Frage, in welcher dann? Es dämmerte ihnen, daß
die lange Verzögerung, dann das Chaos und die Bitterkeit nicht mit einer
unfehlbaren Aussage wiedergutgemacht würden. Da sie fehlbar war, konnte sie das
Gewissen nicht absolut binden. Die Diskussion würde weitergehen, wahrscheinlich
kontroverser als zuvor.
Liberale Katholiken waren weit
härter getroffen. Der Papst hatte jeden Rat außer dem der Kurie in den Wind
geschlagen und darin wie ein Protestant gehandelt. Um einen berühmten Satz
abzuwandeln, er hatte der Kirche den Rücken gekehrt und dann behauptet, er habe
die Kirche hinter sich. Die Hoffnung, die sie gehegt hatten, daß Sexualität und
Ehe moralisch und nicht in biologischen Begriffen gesehen werden würden, war
zerschlagen. Es gab keine Hoffnung mehr, die Geburtenkontrolle zu
»christianisieren« und den Menschen ihre Vorteile und Gefahren in einem
christlichen Zusammenhang von Liebe und Fürsorge bewußt zu machen. Der Papst
hatte gesagt, sie habe keine Vorteile; sie sei nur gefährlich. Mit dieser Entscheidung
liefen die Katholiken Gefahr, ihren moralischen Einfluß in der Welt zu
verlieren; sie würden künftig als vom Mittelalter übriggebliebene Hinterwäldler
eingestuft werden. Viele fanden, daß der Papst an der falschen Front gekämpft
hatte. Er hatte sich der Empfängnisverhütung entgegengestellt, ohne die
Abtreibung unvermeidlich war. Er hätte, sagten sie, Abtreibung verbieten und
nicht wahrscheinlicher machen sollen.
Überlegte Reaktionen
So weit ging der Zustand der
Furcht und Einschüchterung in der Kirche, daß Priester
sich zum Schutz zusammentaten. In England schrieben fünfundfünfzig Priester an
die Times und brachten respektvoll zum Ausdruck, daß sie mit Humanae
vitae nicht übereinstimmten. In den USA beanspruchte eine Gruppe von
siebenundachtzig Theologen unter der Führung von P. Charles Curran eine
kreativere Rolle für sich, als nur zur Enzyklika zu nicken. Päpstliche
Dokumente hätten in der Vergangenheit ungeheuren Schaden angerichtet — etwa an
Juden, Hexen, gewöhnlichen Katholiken, die der Inquisition zum Opfer gefallen
waren. »Die Geschichte zeigt«, sagten sie, »daß mehrere Aussagen von ähnlichem
oder gar größerem autoritativem Gewicht sich in der Folge als ungeeignet oder
sogar irrig erwiesen haben. Vergangene autoritative Aussagen zu
Religionsfreiheit, Kreditzinsen, dem Recht der Aussageverweigerung und den
Zielen der Ehe sind alle später korrigiert worden.« Zu den Mängeln der
Enzyklika zählen diese Theologen »Überbetonung der biologischen
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