Gottes erste Diener
Bischöfe
sperrten sich ebenfalls, wie auch die Belgier, angeführt von Kardinal Suenens.
In einem noch nie dagewesenen Vorstoß betonten die Belgier, daß Katholiken
nicht gebunden sind, diesem nichtunfehlbaren Dokument bedingungslos zu
gehorchen. Wer in diesen Dingen kompetent und verantwortungsvoll ist, »hat das
Recht, seinen eigenen Überzeugungen zu folgen«. Selbst die vom Papst
vorgebrachten Argumente wurden als fehlerhaft bezeichnet, so daß Andersdenkende
nicht selbstsüchtig oder vergnügungssüchtig genannt werden dürfen. Die Bischöfe
fahren fort:
Wir
müssen nach der traditionellen Lehre anerkennen, daß die letztgültige
praktische Norm des Handelns das Gewissen ist, das von allen in Gaudium et spes [dem
Konzilsdokument] dargestellten Faktoren in rechter Weise erleuchtet ist. Ferner
müssen wir anerkennen, daß die letzte Entscheidung über den rechten Zeitpunkt,
neues Leben weiterzugeben, bei den Eltern liegt und daß sie im Angesicht Gottes
diese Entscheidung treffen müssen.
Die konservativeren Hierarchien
wie die englische und die amerikanische betonten den Gehorsam gegenüber Seiner
Heiligkeit. Sie drängten die Katholiken, weiterhin die Sakramente zu empfangen.
Da viele in ihrer Herde die Pille nahmen, war es nicht leicht einzusehen, wie
sie eine Bereitschaft zur Besserung haben sollten, eine Vorbedingung für die
aufrichtige Beichte und die Heilige Kommunion. Katholiken wurden aufgefordert,
sich nicht nur als Sünder zu sehen, sondern als reuige Sünder, während sie tatsächlich
jeden Tag die Pille als empfängnisverhütendes Mittel nahmen. Humanae vitae war nahe daran, einen Rückschritt zu den schlimmsten Exzessen der
Moraltheologie auszulösen. Viele Frauen, deren einzige Absicht die Empfängnisverhütung
war, nahmen die Pille mit dem Argument, dies helfe ihren Menstruationszyklus
regulieren.
Die meisten Bischöfe wiesen
andersdenkende Priester auf Anweisung des Heiligen Offiziums zurecht —
diejenigen, die mit Shakespeares Worten »von des Gedankens Blässe angekränkelt«
waren. Die Bischöfe sagten: »Seid still, oder ihr fliegt.« Bestand der Papst
nicht in Humanae vitae darauf, daß Priester seiner Lehre inneren und
äußeren Gehorsam leisten müßten? Nachdenkliche Priester fanden das unbegreiflich.
Sollte es nicht einmal in strittigen und korrigierbaren Angelegenheiten
religiöse Freiheit geben?
Sie sahen die Sache so: Wenn Humanae
vitae nicht unfehlbar ist, ist sie fehlbar. Wenn sie fehlbar ist, könnte
der Papst sich irren. Wenn er sich irren könnte, ist es gefährlich, seine Lehre
so zu behandeln, als könne sie nicht irrig sein. Die einzig vernünftige Haltung
ist, sie mit Vorsicht zu behandeln, um so mehr, als das Glück von Millionen
Eheleuten auf dem Spiel steht. Hätte Papst Paul VI. gesagt: »Dies ist
unfehlbar, d. h. es ist der Glaube der Kirche, deshalb verlangt Gott inneren
und äußeren Gehorsam«, hätte das einen Sinn ergeben. Daß er aber gesagt hat:
»Dies ist nicht unfehlbar, aber ich, der Papst, bestehe trotzdem auf innerem
und äußerem Gehorsam gegenüber einer Aussage, die möglicherweise irrig ist«,
war zuviel verlangt. Einige glauben aufrichtig, daß es unmoralisch war. Denn
der Papst verlangt Zustimmung zu etwas, das nicht absolut sicher ist. Wenn er
nicht für seine Wahrheit garantieren konnte, hätte er nicht bedingungslosen
Gehorsam fordern dürfen. Überhaupt, wenn ein Priester überzeugt war,
Geburtenkontrolle sei gut, wie konnte er dann der entgegengesetzten Auffassung
inneren Gehorsam leisten? Vielen Bischöfen war dies klar, und sie verlangten
nur äußeren Gehorsam gegenüber der Entscheidung des Papstes. Dies war zwar
wiederum barmherzig, aber doppelbödig und ermutigte Kriechertum. Wenn die
Bischöfe nicht einmal selbst dem Papst gehorchten, indem sie inneren wie
äußeren Gehorsam forderten, hätten sie von ihren Priestern gar nichts fordern
dürfen.
Trotz der angestrengten
Bemühungen um Schadensbegrenzung war es, als hätte ein Hurrikan die katholische
Kirche heimgesucht. Nach Humanae vitae durchgeführte Umfragen zeigten,
daß jetzt mehr Katholiken für Empfängnisverhütung waren. Das bewies, daß im
Bett die meisten Katholiken zu Protestanten werden.
Die Laien wurden zornig auf die
Hierarchie. Es dämmerte ihnen, daß die einzige Qualifikation des Klerus,
Unkenntnis, in Fragen der Sexualität nicht ausreichte. Jeder verheiratete Mann,
jede verheiratete Frau ist mehr »Sexperte« als alle Priester zusammen. Viele
Laien
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