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Gottes erste Diener

Gottes erste Diener

Titel: Gottes erste Diener Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter de Rosa
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»Zwar ist Enthaltsamkeit [in der Ehe] von
größerem Verdienst, doch ist es keine Sünde, die eheliche Pflicht zu erfüllen;
sie aber über das Notwendige hinaus zu fordern, ist eine läßliche Sünde.«
Offensichtlich ist Sex in der Ehe nur für Leute, die sich nicht beherrschen
können. Das Ideal ist kein Sex, jetzt oder in der Ewigkeit. Die Jungfrau ist
das Vorbild. Maria war völlig enthaltsam, eine Jungfrau. Doch sie vereinte auch
das Unvereinbare: Jungfräulichkeit und Mutterschaft. Das war Vollkommenheit:
Mutterschaft ohne Sex, Jungfräulichkeit mit der Segnung eines Kindes. Es ist
fast, als wünschte Augustinus, Gott hätte Jungfrauengeburten zur Norm gemacht.
Tatsächlich ist der einzige Weg, auf dem er Gott von der Schuld für die
Einsetzung der Ehe freisprechen kann, das Argument, die unvermeidliche
Fleischeslust beim Sex sei Adams Schuld, nicht Gottes.
    Das Kind rechtfertigt sozusagen
die Ehe, wie wir sie kennen. Gott macht aus Bösem Gutes. Dennoch ist Frigidität
anzustreben (Augustinus nennt es »Spiritualität»), nicht sexuelles Vergnügen (libido). Die vollkommene Ehe würde diesem Muster folgen: Frau und Mann sollten vor der
Einforderung der ehelichen Pflicht herausfinden, ob der Partner in einer
heiligen Stimmung ist, d.h. nicht sexuell erregt, und von der Absicht zur
Fortpflanzung erfüllt.
    Augustinus scheut die
paradoxeste Folgerung nicht: Die ideale Ehe besteht aus zwei Jungfrauen. Würde
dies zur Norm, so wäre die Stadt Gottes bald komplett. Das mindeste, was die
Paare tun können, ist mit fortschreitendem Alter keusch zu werden, d. h.
sexuell inaktiv und hoffentlich langfristig impotent. Hätte Paulus nicht
geschrieben, daß ein Mann nicht sündigt, wenn er ein Mädchen heiraten läßt, so
wäre es Augustinus nach seinen Prinzipien schwergefallen, das zuzulassen.
Geschlechtsverkehr ohne den Gedanken an Kinder — noch schlimmer,
Geschlechtsverkehr während der unfruchtbaren Tage, wenn die Absicht vorliegt,
keine Kinder zu haben, ist schwere Sünde. »Denn Verkehr, der über die
Notwendigkeit der Fortpflanzung hinausgeht, gehorcht nicht der Vernunft,
sondern der Leidenschaft.« Sexuell aktive ältere Paare oder Paare, die
miteinander verkehren, wenn die Frau schwanger ist, laden unausweichlich eine
riesige Sündenlast auf sich.
    Wie steht es mit den jüdischen
Patriarchen, die nach der Schrift mehrere Frauen hatten? Augustinus antwortet,
sie nahmen nicht zum Vergnügen oder wegen der Abwechslung zusätzliche Frauen,
sondern aus der Notwendigkeit heraus, mehr Kinder zu haben. Wahrscheinlich
handelten diese noblen Gestalten ohne Leidenschaft und mit einem tiefen Gefühl
der Pflicht gegenüber ihrem Volk, als sie ihre Gattinnen und Konkubinen
bedienten. Es war Selbstlosigkeit in heroischem Ausmaß. Übrigens ist es auch
ein weiteres Beispiel dafür, daß der Zweck (die Zahl des auserwählten Volkes zu
mehren) die Mittel (außerehelichen Geschlechtsverkehr) heiligt. Augustinus war
das Modell eines Moraltheologen: ein Rigorist mit dem Talent, so gut wie alles
zu rechtfertigen.
    Augustins Betonung der
Jungfräulichkeit Mariens ermutigte das Zölibat in der Kirche, obwohl Maria ja
einen Ehemann und, den Evangelien zufolge, außer Jesus noch andere Kinder
hatte. Da die kritische Bibelauslegung in den Kinderschuhen steckte, begriffen
die Kirchenväter nicht, daß Marias Jungfräulichkeit nichts mit Keuschheit zu
tun hatte. Es war ein theologisches Mittel, mit dem die Evangelisten
ausdrückten, daß Jesus Gottes Sohn war, nicht die Frucht eines Menschen und
menschlicher Macht, sondern Frucht Gottes und göttlicher Macht. Das Alte
Testament hatte ähnliche Mittel: Kinder wurden von Frauen geboren, die
unfruchtbar oder, wie in Saras Fall, an die hundert Jahre alt waren. Leider hat
Marias »Jungfräulichkeit« nicht nur Frauen inspiriert, Großes für Gott und
Mitmenschen zu tun, sondern auch zur Entwürdigung der christlichen Ehe
beigetragen. Sie verstärkte die wachsende Überzeugung, daß Jungfräulichkeit der
in sich unvollkommenen Ehe überlegen sei; sie nährte die Idee, daß Priester am
Altar ehelos sein sollten. Diese Vorliebe wurde später zur Vorschrift; Priester
mußten ehelos sein, oft mit ernsten Folgen für den guten Namen der Kirche.
    Der Haupteinfluß auf Augustinus
war, ohne daß er das wußte, nicht die Bibel, sondern die Stoa. In den Schriften
Senecas zum Beispiel stand die Pflicht im Vordergrund. In seiner strengen
Philosophie tötete die Vernunft, wo immer sie obsiegte, die

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