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Gottes erste Diener

Gottes erste Diener

Titel: Gottes erste Diener Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter de Rosa
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Emotionen, die
nichts als eine Krankheit waren. Das Ziel des Lebens war die Ausschaltung der
Selbstsucht; nichts sollte um einer Belohnung willen getan werden. Im
Zusammenhang hiermit hatte Sex nur ein Ziel: Fortpflanzung. Freuden,
Befriedigungen, Vergnügen waren verboten und, so weit als möglich,
ausgeschaltet. Das Ideal war ein kalter, leidenschaftsloser Geschlechtsakt.
    Augustinus kam auf anderem Wege
zu seinem Abscheu vor dem Sex: Er analysierte die Wirkungen der Erbsünde. Was
die Stoiker perturbatio nannten, nannte er Konkupiszenz, aber das war
ein und dasselbe. Dennoch ist es eine Sache, die Ohren steifzuhalten, wenn man
Schmerzen erduldet; für ein Paar in der Agonie des Geschlechtsakts ist es kaum
das Richtige. Eine absichtliche Kälte, ein Ersticken menschlicher Gefühle im
Ehebett ist im strengen Sinn unnatürlich, nämlich gegen die menschliche Natur.
    Es wäre unnütz, die Lehre
dieses großen, wenn auch in dieser Frage irrenden Lehrers auszugraben, wenn
nicht die katholische Kirche sie total übernommen hätte. Es gab keinen Papst,
keinen Theologen, der Augustins Sicht von Sexualität und Ehe nicht gefolgt
wäre. Durch sie beeinflußte er Laien von Generation zu Generation. Die stoische
Auffassung, Sexualität sei nur zur Fortpflanzung da, wurde für über tausend
Jahre katholische Orthodoxie. Die Laien haben daraus abgeleitet, daß Sex
unanständig und lächerlich ist. Ein bleibendes Gefühl der Sünde hielt Einzug
ins Schlafzimmer, mit dem Ergebnis, daß viele Christen Sünde mit Unkeuschheit
identifizierten. Nicht wenige Päpste verstärkten diesen Eindruck, indem sie
Unkeuschheit vor allen anderen Lastern, etwa Habgier und Gefühllosigkeit,
kritisierten.
    In seiner Zeit war Augustinus
nicht der einzige christliche Lehrer mit einem Vorurteil gegen Sexualität; er
war nur der einflußreichste. Betonung von Keuschheit und Jungfräulichkeit
bedeutete, daß die Ehe als mildeste und am wenigsten anstößige Form der Unzucht
angesehen wurde. Für Verheiratete war es schwer, wenn nicht unmöglich, ins
Himmelreich einzugehen — wie für Reiche. Jungfräulichkeit, sagte Johannes
Chrysostomos, steht über der Ehe wie der Himmel über der Erde oder die Engel
über den Menschen. »Berufung« war gleichbedeutend mit »Verzicht auf Sex«.
Hieronymus sagte, Petrus selbst habe den Schmutz der Ehe nur durch das Blut des
Martyriums abgewaschen. Das Ziel eines Heiligen ist laut Hieronymus, »den Wald
der Ehe mit der Axt der Jungfräulichkeit niederzuhauen«. Die einzige
Rechtfertigung der Ehe ist die Produktion von Jungfrauen.
    In seiner History of
European Morals schreibt Lecky, er habe in einer Masse patristischer
Schriften nur zwei oder drei schöne Beschreibungen der Ehe gefunden. »Man
könnte sich nur schwer etwas Grobschlächtigeres und Abstoßenderes vorstellen
als die Art, wie sie sie betrachteten.« Sex wurde als nichts anderes gesehen
als ungezügelte Geilheit. Ehelicher Verkehr mit einer schwangeren Frau galt
einhellig als Sünde; es war eine Verschwendung lebenspendenden Samens auf ein
schon gesätes Feld. Selbst Tiere tun etwas so »Schmutziges« nicht. Es gibt in
der Zeit der Kirchenväter keine einzige Erwähnung der zärtlichen Liebe, die
Eheleute füreinander haben, kein Zeichen für ein Wissen der Väter um die
Tatsache, daß der Geschlechtsakt ein Liebesakt ist. Der Beweis seiner
Schändlichkeit ist der Schmerz des Gebärens. Besonders die Frau — auch Gott war
ein männlicher Chauvinist! — leidet an der Stelle, wo sie gesündigt hat. Selbst
wenn ein Kind auf die Welt kommt, zeigt Gott tadelnd mit dem Finger.
    »Erbauliche« Geschichten
berichteten von Ehemännern, die ihre Frauen und Kinder im Stich ließen, um »ein
keusches Leben zu führen«, von Frauen, die in der Hochzeitsnacht flehten, ihre
Ehre zu achten. Der Held war der Mann, der seine Frau in der Hochzeitsnacht
verließ, um in der Wildnis zu leben. Das Ideal war Askese, gedeutet als
Befreiung von der Sexualität. Dies unterschrieben alle Päpste, auch Gregor I.
     
     
    Papst Gregor der Große
     
    Gregor, der von 590 bis 604
regierte, war eins der Wunder seinerZeit. Nur Leo I.
(440-61) konnte es als Pastoralbischof und Theologe mit ihm aufnehmen.
    Gregor war mittelgroß und hatte
einen großen, kahlen Kopf, von dem später viele Städte—Konstanz, Prag,
Lissabon, Sens — behaupteten, sie besäßen ihn als Reliquie. Er hatte eine
breite Stirn und winzige, gelbbraune Augen. Seine Nase war gebogen mit breiten
Nasenflügeln, seine

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