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Gottes erste Diener

Gottes erste Diener

Titel: Gottes erste Diener Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter de Rosa
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die Kirche, besonders beim Ersten Vatikanischen Konzil, als die
päpstliche Unfehlbarkeit definiert wurde.
    Eine kleine Ironie: In seiner Summa schreibt Thomas, Ketzer sollten auf der gleichen Grundlage hingerichtet werden
wie Fälscher. Häretiker fälschen nicht Geld, sondern etwas viel Kostbareres:
den Glauben. Er fragte nicht, welche Strafen für Fälscher von Dokumenten
geeignet wären, die die Kirche, einschließlich seiner selbst, über Generationen
hin irreführten.
     
    Gregors Fälschungen hatten den
Vorteil, daß sie originell und gleichzeitig sakrosankt, neu und gleichzeitig
alt waren. Ein Fürst war unklug, sich gegen den Papst zu stellen, wenn frühere
Oberhirten wie Innozenz I. und Gregor der Große einen Kaiser und einen König
abgesetzt hatten. Nicht, daß sie so etwas wirklich getan hatten, aber Gregor
VII. hatte ein Dokument, mit dem er bewies, daß sie es getan hatten. Die
Fälscher selbst glaubten von ganzem Herzen, daß Gregor die Macht hatte,
Monarchen abzusetzen — und wenn sie mit einem Federstrich hier und da einer
unfrommen Welt zu demselben Glauben verhelfen konnten, was sollte daran
schädlich sein?
    Die Geschichte wurde zu einer
Hilfswissenschaft der Theologie, und das ist sie seither geblieben. Schließlich
kann selbst die Geschichte nicht der unfehlbaren Wahrheit widersprechen.
Deshalb wurde in den formenden Jahren des römisch-katholischen Christentums
jede Diskussion durch den Rückgriff auf »Autoritäten« im Keim erstickt, die bei
Bedarf schnell fabriziert worden waren. Entwicklung kam nicht spontan zustande,
sondern wurde in vorgefaßte Formen gezwungen. Die traditionelle Unterordnung
der Päpste unter Allgemeine Konzilien in Fragen des Glaubens und der Moral
wurde umgekehrt. Strittige und manchmal fragwürdige Ansichten wurden etablierte
Dogmen; parteiische Standpunkte wurden als zeitlose, unumkehrbare katholische
Lehre geheiligt.
    Es ist keine Kleinigkeit, eine
Geschichte nach Maß herzustellen.
     
    Kaum war er gewählt, da machte
sich Gregor VII. daran, alles zu reformieren. Zuerst versuchte er, die
allgemeine »Unzucht« auszumerzen, d.h. die Ehe des Klerus, um sicherzustellen,
daß Kirchengut nie verschenkt wurde. Das Gesetz des Zölibats für Kleriker war
praktisch vergessen—außer von Gregor. Wenn die Priester ihr Leben nicht
änderten, sollten sie suspendiert werden, und die Laien sollten ihren Dienst
nicht annehmen. Es war, als seien sündige Priester keine Priester mehr. Ein
Kritiker fragte: »Würde der Papst sagen, ein sündiger Mann sei kein Mann mehr?«
    Der Effekt seiner Gesetzgebung
bestand laut Ray C. Petry darin, »praktisch zu Tausenden Prostituierte aus den
unschuldigen Ehefrauen verblüffter, zorniger kleiner Kleriker zu machen«. Lecky
schreibt: »Als die Frauen der Priester in riesiger Zahl von ihren Ehemännern getrennt
und verdammt, gebrochen und hilflos fortgetrieben wurden, verkürzten nicht
wenige von ihnen ihre Qual durch Selbstmord.« Der deutsche Klerus wollte
wissen, wo Gregor, wenn er die Männer aus dem Priesteramt vertrieben hatte,
Engel finden würde, um sie zu ersetzen. Eine Gruppe italienischer Bischöfe
hielt 1076 in Pavia ein Konzil ab und exkommunizierte den Papst, weil er
Eheleute trennte und Sittenlosigkeit beim Klerus gegenüber der ehrbaren Ehe
begünstigte.
    Hätte Gregor seine Drohung wahr
gemacht, Priester zu suspendieren, die nicht enthaltsam waren, so hätte er den
Katholizismus praktisch ausradiert. Glücklicherweise oder unglücklicherweise
war seinem Feldzug kein anhaltender Erfolg beschieden. Ehelosigkeit konnte er
durchsetzen, aber nicht Keuschheit. Doch durch die Ehelosigkeit garantierte er
das ständige Apartheids -System im Katholizismus zwischen Klerikern, die
Rechte haben, und Laien, Männern und Frauen, die keine Rechte haben.
Seltsamerweise trennten sich mehr Laien als Priester von ihren Ehefrauen —
vielleicht waren sie stärker beeindruckt von Gregors asketischen Idealen. Nach
einer Stillhalteperiode stellten sich die Priester wieder auf den Standpunkt,
was sie im Bett täten, sei ihre eigene Sache.
    Als nächstes befaßte sich
Gregor mit der Simonie, dem Kaufen und Verkaufen heiliger Dinge. Den
Kardinalen, die wußten, daß alles bis hinauf zum Stuhl Petri selbstverständlich
seinen Preis hatte, schien Exkommunikation hierfür übertrieben.
    Gegen eine jahrhundertealte
Praxis exkommunizierte Gregor jeden Kleriker, der Pfründen von einem Laien
entgegennahm, sei er auch Herzog oder Fürst. Niemand in der Kirche

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